Misswirtschaft bei Unicef:Großzügig oder gerissen?

Der Streit um dubiose Zahlungen bei Unicef geht weiter: Während Interims-Vorsitzender Reinhard Schlagintweit dem Geschäftsführer den Rücken stärkt, erheben Wirtschaftsprüfer Vertuschungs-Vorwürfe.

Johannes Nitschmann

Nach dem Rückritt von Heide Simonis als Unicef-Vorsitzende gehen die öffentlichen Auseinandersetzungen um die finanzielle Transparenz des Kinderhilfswerks weiter. Der neue Chef von Unicef Deutschland, Reinhard Schlagintweit, sagte der Süddeutschen Zeitung, die "Schlammschlacht" müsse endlich beendet werden.

Unicef; Kinder im Irak; dpa

Im Blickpunkt des Kinderhilfswerks Unicef sollten eigentlich benachteiligte Kinder stehen - wie diese Jungen in einem irakischen Flüchtlingslager. Im Moment dreht sich die Diskussion aber um den zweifelhaften Umgang mit Spenden.

(Foto: Foto: dpa)

Zuvor waren weitere Vorwürfe gegen die Unicef-Führung bekannt geworden. Zugleich lieferte sich die Ex-Vorsitzende Simonis mit anderen Vorstandsmitgliedern über Interviews einen öffentlichen Schlagabtausch. An der Basis der 8000 Ehrenamtler des Kinderhilfswerks wurden erneut Forderungen nach Ablösung des umstrittenen Geschäftsführers Dietrich Garlichs laut, gegen den die Staatsanwaltschaft Köln wegen des Verdachts der Untreue ermittelt.

Der neue Vorsitzende Schlagintweit betonte, er wolle an Garlichs festhalten. Juristisch habe sich der Geschäftsführer nichts zuschulden kommen lassen. Allenfalls könne ihm eine "gewisse Großzügigkeit, Unbekümmertheit und ein bisschen Sorglosigkeit" angelastet werden. Deshalb müsse Garlichs zukünftig "noch gewissenhafter die Formalien berücksichtigen", sagte Schlagintweit der SZ.

Wie alle anderen Hilfsorganisationen habe Unicef das Problem, seine Kosten gegenüber der Öffentlichkeit plausibel zu vermitteln. Die Rücktrittsforderungen an Garlichs wies der neue Vorsitzende zurück: "Von ihm wird erwartet, dass er gleichzeitig zu Fuß geht und Auto fährt, also sich um die kleinen und großen Spender kümmert." Der Geschäftsführer habe große Verdienste um die Modernisierung des Kinderhilfswerks. Unter ihm sei das Spendenaufkommen verdreifacht worden.

Gleichzeitig wurde allerdings ein Schreiben bekannt, in dem die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG dem Unicef-Vorstand vorwirft, die Ergebnisse eines von ihr erstellten Sonder-Prüfberichts zu Vorwürfen der Verschwendung und Misswirtschaft nicht wahrheitsgemäß wiedergegeben zu haben. Die Wirtschaftsprüfer hatten am 14. Januar in einem Schreiben verlangt, Unicef solle nicht weiter in Pressemitteilungen behaupten, der Prüfbericht habe festgestellt, alle Vorwürfe seien falsch und es habe keine Unregelmäßigkeiten gegeben. Dagegen heißt es wörtlich in dem KMPG-Bericht: "In vier der fünf untersuchten Sachverhalte werden Verstöße gegen bestehende Regeln der Vergabe, Durchführung und Transaktionen festgestellt, die dem Bereich der Ordnungsmäßigkeit zuzuordnen sind."

Simonis, die im Januar noch die umstrittene Erklärung des Unicef-Vorstandes mitgetragen hatte, die KPMG-Prüfer hätten keinerlei Unregelmäßigkeiten aufgedeckt, sagte am Montag im NDR: Der Prüfbericht stelle "klare Verstöße" fest - gegen Unterschriftenregeln, das Vier-Augen-Prinzip und die Schriftform von Verträgen. Alle diese Regeln seien für eine Spendenorganisation wichtig, "damit man Abläufe nachvollziehen kann".

Unicef-Vorstandsmitglied Rolf Seelmann-Eggebert kritisierte Simonis, weil sie durch öffentliche Äußerungen Zweifel an der Transparenz des Hilfswerks genährt habe. Schließlich seien ihr alle Vorwürfe bereits seit Mitte vergangenen Jahres bekannt gewesen.

Vorstandsmitglied Carmen Creutz erklärte, die Forderungen der Basis nach mehr Öffentlichkeit, Nachvollziehbarkeit und Transparenz seien in der Führung des Kinderhilfswerks "längst angekommen". Aus den Reihen der ehrenamtlichen Mitarbeiter war verlangt worden, dass der Geschäftsführer künftig nicht mehr dem Vorstand angehört, die Mitgliedschaft im Vorstand zeitlich begrenzt wird und die Finanzberichte des Unicef-Komitees transparenter gemacht werden. "Wir werden das umsetzen", sagte Vorstandsmitglied Creutz. Zudem verlangen etliche Arbeitsgruppen den Rücktritt von Geschäftsführer Garlichs.

Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) überprüft derzeit das Spendensiegel für Unicef. "Wir schauen, ob die Vorwürfe irgendwelche Konsequenzen für das Spendensiegel haben", sagte DIZ-Geschäftsführer Burkhard Wilke am Montag der SZ. Die Prüfung laufe "ergebnisoffen". Spekulationen über eine drohende Aberkennung des Spendensiegels für Unicef nannte Wilke "verfrüht".

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