Missbrauchsvorwürfe:Bill Cosby: Amerikas Lieblingspapa vor Gericht

  • Bill Cosby ist nach dem Haftbefehl gegen eine Kaution von einer Million Dollar auf freiem Fuß.
  • Der TV-Star wird wegen sexueller Nötigung angeklagt. Auslöser sind Erkenntnisse aus einer Zivilklage, die im Sommer öffentlich wurden.
  • Dem 78-Jährige drohen bis zu zehn Jahre Haft, vor Gericht könnten weitere mutmaßliche Opfer aussagen.

Von Johannes Kuhn, New Orleans

Gestützt auf seine beiden Anwälte und einen Gehstock, umringt von Dutzenden Reportern und zahlreichen Kameras machte sich Bill Cosby auf den Weg ins Gerichtsgebäude. Nein, er habe nichts zu sagen, signalisierte der 78-Jährige mit einem düsteren Kopfschütteln.

Die Szene in Elkins Park, Cosbys Wohnort am Rande Philadelphias, ist der Beginn eines neuen Kapitels für den Mann, der einst "America's Favorite Dad" genannt wurde: Nachdem mehr als 50 Frauen Vergewaltigungsvorwürfe gegen die Comedy-Ikone erhoben haben, kommt es nun erstmals zur Anklage. Die Staatsanwaltschaft des Bezirks Montgomery County wirft ihm schwere sexuelle Nötigung vor und spricht von "erdrückenden Beweisen".

Im Januar 2004 soll Cosby die Basketball-Trainerin Andrea Constand in seinem Haus mit Wein und Tabletten betäubt und dann mit seiner Hand sexuell missbraucht haben.

Kurz vor der Verjährung

Bezirksstaatsanwalt Kevin Steele erhob auch deshalb zum jetzigen Zeitpunkt Anklage, weil der Tatbestand im Laufe des Januars verjährt wäre. Der Fall hat zudem noch eine lokalpolitische Komponente: Steele, bisher noch stellvertretender Leiter seiner Behörde, wurde gerade erst zum obersten Staatsanwalt gewählt und hatte im Wahlkampf versprochen, Cosby zu belangen. Er erklärte, es "sei keine Frage, sondern die Pflicht gewesen", den Fall neu aufzurollen.

Am Mittwoch verließ der Schauspieler nach einer Viertelstunde das Gericht, zuvor hatte er einer Kaution von einer Million US-Dollar zugestimmt und davon 100 000 Dollar hinterlegt, um den vorliegenden Haftbefehl außer Vollzug zu setzen. Er musste zudem seinen Pass abgeben, sich erkennungsdienstlich behandeln lassen und sich verpflichten, keinen Kontakt zum mutmaßlichen Opfer zu suchen. Cosby droht nach den Gesetzen des Bundesstaates eine Höchststrafe von bis zu zehn Jahren.

Wegen sexueller Nötigung angeklagt: Bill Cosby

Die Polizeiaufnahme, der so genannte "Mugshot", im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung Cosbys.

(Foto: dpa)

Constand hatte Cosby bereits 2005 vor einem Zivilgericht verklagt. Im Juli hatte ein Gericht die Akten mit den Aussagen der Beteiligten freigegeben - dies war der Anlass für die örtliche Staatsanwaltschaft, die Ermittlungen wieder aufzunehmen. In den Protokollen beschreibt Constand, wie Cosby zunächst als ihr Mentor aufgetreten sei.

Dann habe er sie eines Abends jedoch sexuell belästigt und bei einem weiteren Treffen zur Einnahme von Tabletten überredet, deren Wirkung K.o-Tropfen ähnelte, um sie danach zu missbrauchen. Cosby selbst erklärte damals, ihr nur ein Anti-Allergikum verabreicht und die sexuellen Handlungen in stillem Einverständnis vorgenommen zu haben (Zitat: "Ich höre sie nichts sagen. Ich fühle sie nichts sagen").

Nächster Termin am 14. Januar

In den Akten beschreibt sich der Hauptdarsteller der Cosby-Show auch als notorischen Playboy, der in den Siebzigern Frauen auch das Medikament Methaqualon verabreicht habe, das wegen seiner enthemmenden Wirkung damals auch als Partydroge verwendet wurde. Die beiden Parteien einigten sich schließlich außergerichtlich.

Dieses Mal wird es wohl zum Prozess kommen. Die bekannte Anwältin Gloria Allred, die 29 weitere mutmaßliche Opfer vertritt, erklärte bereits, viele ihrer Mandantinnen seien zu einer Aussage bereit. Cosbys Anwälte hatten vor wenigen Tagen Verleumdungsklage gegen sieben weitere Frauen eingereicht, die ihn der Vergewaltigung beschuldigen. Der 78-Jährige selbst äußert sich öffentlich nicht zu den Vorwürfen. Seine Anwälte teilten mit, er werde gegen die "ungerechtfertigte" Anklage kämpfen.

In dem nun eröffneten Verfahren wird es nicht nur um Glaubwürdigkeit und Gerechtigkeit gehen. Die Cosby-Show half in den Achtzigern, Stereotype über schwarze Familien abzubauen. Cosby selbst galt als moralische Autorität, die Familienwerte anmahnte und äußerst streng über die Lage des schwarzen Amerikas urteilte. Cosby als TV-Figur, öffentliche Person und Privatmensch werden nun verhandelt - und mit ihr die Frage, ob Prominente vor der US-Justiz eine Sonderstellung genießen. Der nächste Gerichtstermin ist am 14. Januar 2016.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: