Missbrauchsprozess in Rheinland-Pfalz:Grausige Details

Der Prozess über den Missbrauch von Fluterschen sorgt für Entsetzen im Gerichtssaal. Über 20 Jahre lang soll der Angeklagte seine drei Kinder missbraucht und gequält haben. Der Anklage zufolge "vermietete" er seine Stieftochter für 40 Mark an andere Männer.

Er schüttelt hin und wieder den Kopf, berät sich mit seinem Anwalt - und gibt sich ansonsten unbeeindruckt. Dabei sind die Vorwürfe unglaublich, die der hagere Mann im roten Sakko im Landgericht Koblenz zu hören bekommt. Der Staatsanwalt schildert zum Prozessbeginn erschütternde Details eines Missbrauchsdramas in einem für Deutschland unbekannten Ausmaß.

Prozessbeginn mutmaßliches Missbrauchsdrama im Westerwald

Ihm werden 350 Fälle von Missbrauch vorgeworfen, begangen an der eigenen Familie: Detlef S. steht in Koblenz vor Gericht.

(Foto: dpa)

Der 48-jährige Familienvater aus Fluterschen im Westerwald soll Tochter und Stieftochter über Jahre sexuell missbraucht und sie für Orgien an andere Männer verkauft haben. Auch am Stiefsohn vergriff er sich laut Anklage. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, jahrelang über die drei Kinder hergefallen zu sein.

Er soll sich die Familie mit Schlägen durch Gürtel oder Peitsche gefügig gemacht haben. "Dieses kranke Schwein", heißt es in einem Brief der 18-jährigen Tochter, der im Gerichtssaal verlesen wird. Schließlich gibt der grauhaarige Angeklagte über seinen Anwalt zu, dass er mit seiner Stieftochter sieben Kinder zeugte, doch die Missbrauchsvorwürfe bestreitet er. Die beiden 28-jährigen Stiefkinder verfolgen als Nebenkläger mit gesenktem Kopf das Verfahren. In der Anklage geht es um 350 Taten von 1987 bis 2010.

Der Prozess muss gleich mehrfach unterbrochen werden, weil sich der Angeklagte mit seinem Verteidiger berät. Nach einer ersten Pause räumt er ein, Vater der sieben Kinder seiner Stieftochter zu sein. Die zwischen 2000 und 2009 geborenen Kinder sind aber nicht Gegenstand der Anklage, und laut Gutachtern ist die Vaterschaft ohnehin praktisch erwiesen.

Der Missbrauch begann laut Staatsanwaltschaft im Oktober 1987: Damals soll der hagere 48-Jährige erstmals die Genitalien der beiden Stiefkinder, die damals fünf Jahre alt waren, angefasst haben. Das sei als Vater sein Recht, soll er gesagt haben.

1995 kam es dann laut Anklage zum ersten Sex: Die Stieftochter soll zu zwei anderen Männern gebracht und mit Schnaps gefügig gemacht worden sein. "Den Männern sagte er, sie könnten tun, was sie wollen", sagt Staatsanwalt Thorsten Kahl. Dann fiel nach seiner Darstellung einer über das Mädchen her, das sich unter Tränen heftig wehrte und starke Blutungen davontrug. Im Hintergrund liefen angeblich Pornos, der Vater soll Fotos gemacht haben.

"Ich will die Familie nicht kaputt machen"

40 Mark kassierte er laut Anklage von den Beteiligten. Mindestens zweimal im Monat soll es über Jahre hinweg solche Missbrauchsfälle mit mehreren Männern gegeben haben, einmal im Monat hatte der 48-Jährige angeblich allein Verkehr mit seiner Stieftochter.

Für seine leibliche Tochter habe das Martyrium nach ihrem neunten Geburtstag begonnen, 2004 hatte er nach Überzeugung der Anklage das erste Mal Sex mit ihr erzwungen. "Sie bat ihn vergeblich, von ihm abzulassen. Sie weinte und schrie vor Schmerzen", sagt Kahl. Auch sie soll jahrelang missbraucht worden sein und habe immer wieder fremde Männer befriedigen müssen. Erste Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den 48-Jährigen wegen sexueller und tätlicher Angriffe auf seine Kinder waren 2002 eingestellt worden, weil die Familie alles abstritt.

Nun brachte der bei Gericht verlesene Brief der Tochter, den ihre Stiefschwester im August 2010 fand und an das Jugendamt schickte, ein neues Verfahren ins Rollen. Seither sitzt der Mann in Untersuchungshaft. Ihm drohen bis zu 15 Jahre Haft. Die Staatsanwaltschaft hat zudem Sicherungsverwahrung beantragt.

Der Brief der Tochter zeigt eine tiefe Zerrissenheit der jungen Frau. Darin beschreibt sie in derben Worten den sexuellen Missbrauch, dass ihren Vater nur das Geld interessiert habe und dass ihr Leben ruiniert sei. "Erinnert euch doch mal, wie oft ich geheult habe", heißt es. Andererseits schreibt sie an ihre Mutter, die von all dem nichts mitbekommen haben will: "Ich will die Familie nicht kaputt machen, es tut mir leid." Doch sie sorgte sich wohl um die Kinder ihrer Stiefschwester. "Ich will nichts, nur dass sie Kinder bleiben dürfen und nicht kaputt gemacht werden", heißt es.

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