Missbrauchsprozess in Koblenz:Sexuelle Übergriffe, Prügel, Tyrannei

Weitere Stiefsöhne von Detlef S. haben den "deutschen Fritzl" vor dem Koblenzer Gericht schwer belastet. Einer der Männer berichtete, der Angeklagte habe sich zwischen seinem zehnten und zwölften Lebensjahr immer wieder an ihm vergangen.

Im Westerwälder Missbrauchsprozess haben zwei weitere Stiefsöhne von Detlef S. neue Vorwürfe erhoben. Er sei vom Stiefvater zwischen seinem zehnten und zwölften Lebensjahr sexuell missbraucht worden, sagte Sven S. als Zeuge vor dem Koblenzer Landgericht. Der Angeklagte sei mehrfach "in sein Bett gekrochen" und habe an seinem Genital "gespielt". Nach Gerichtsangaben sind diese Vorwürfe aber mittlerweile verjährt.

Prozess - Mutmaßliches Missbrauchsdrama im Westerwald

Markus S., einer der Stiefsöhne des "deutschen Fritzl" Detlef S., berichtete vor dem Koblenzer Landgericht  von Prügelattacken des Angeklagten.

(Foto: dpa)

Der 29-Jährige berichtete weiter, es habe regelmäßig Gewaltexzesse in der Familie gegeben. So habe der Stiefvater die Riemen seines Schulranzens dazu genutzt, um eine Peitsche zu fertigen. Mit dieser seien die Kinder immer wieder geschlagen worden. Der Angeklagte sei für seine Prügelattacken wiederholt mit den Stiefkindern in den Wald gefahren - mit der Begründung, dass dort niemand ihre Schreie höre. Das Verprügeln habe Detlef S. gefallen. Das habe er ihm an den Augen angesehen, sagte der Zeuge.

"Der war immer da"

Als Sven S. im Februar 2002 ankündigte, aus dem Elternhaus ausziehen zu wollen, seien am nächsten Tag Teile des Mobiliars in seinem Zimmer zerschlagen gewesen. Nur unter Polizeischutz habe er seine restlichen Sachen aus dem Haus bringen können.

Ein weiterer Stiefsohn bestätigte in seiner Aussage, dass Gewalt in der Familie an der Tagesordnung gewesen sei. Der Angeklagte habe ihn einmal so brutal verprügelt, dass sein Gesicht angeschwollen sei, sagte Markus S. Besonders oft seien die Stiefkinder traktiert worden. Auch seine Mutter habe immer wieder Schläge bekommen. Einmal habe sie versucht, ihren Mann von der leiblichen Tochter Jasmin abzuhalten. Daraufhin sei sie von ihm zusammengeschlagen worden.

Auf die Frage, warum sich die Familie nicht gegen den tyrannischen Vater verbündet habe, verwies der 32-jährige Zeuge auf "innere Zwänge". Selbst ungestörte Unterhaltungen mit der Mutter seien vom Vater unterbunden worden. "Der war immer da."

Am dritten Prozesstag verlas der Richter auch das Protokoll einer Hausdurchsuchung in Fluterschen. Zahlreiche Schränke, Kisten und selbst das Tiefkühlfach seien mit Vorhängeschlössern gesichert, heißt es in den Aufzeichnungen der Polizei. Die Ermittler stellten neben Sexfotos der Stieftochter und der Ehefrau massenhaft Briefe sicher: Es sehe so aus, als habe der Angeklagte die Post seiner Kinder einfach weggeschlossen, vermerkt ein Beamter dazu.

Angeklagter will sich psychologisch untersuchen lassen

Am Mittwoch hatte der angeklagte Familienvater aus Fluterschen (Kreis Altenkirchen) überraschend ein Teilgeständnis abgelegt, in dem er den Missbrauch an seiner leiblichen Tochter einräumte. Zu den Anschuldigungen im Zusammenhang mit den Zwillingen Natascha und Björn äußerte sich der 48-Jährige hingegen nicht. Zum Prozessauftakt hatte er lediglich eingeräumt, mit seiner 28-jährigen Stieftochter acht Kinder gezeugt zu haben.

Nachdem er es zunächst abgelehnt hatte, will sich der Beschuldigte nun doch begutachten lassen. "Es haben sich im Laufe des Verfahrens Punkte ergeben, dass eine psychische Krankheit vorliegen könnte", sagte sein Verteidiger. Es gehe nicht um die Schuldfähigkeit seines Mandanten - sondern um eine mögliche Unterbringung in der Psychiatrie. Für die Anwältinnen der Töchter, die im Prozess als Nebenklägerinnen auftreten, ist die Begutachtung dagegen "eine weitere Strategie des Verfahrens".

Dem Mann werden insgesamt 350 Fälle von sexuellem Missbrauch sowie 35 Fälle, in denen er die beiden Mädchen zur Prostitution gezwungen haben soll, zur Last gelegt. Außerdem soll er die Kinder immer wieder mit Schlägen traktiert haben. Er sitzt seit dem 10. August 2010 in Untersuchungshaft.

Der Angeklagte hat mit seiner 52 Jahre alten Ehefrau vier gemeinsame Kinder. Vier weitere Kinder brachte die Frau aus vorherigen Ehen mit in die Familie.

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