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Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach:Das jüngste Opfer war erst drei Monate alt

Die Ermittlungsgruppe "Berg" zieht Bilanz: 65 Kinder konnten aus den Händen ihrer Peiniger befreit werden, bislang wurden 439 Verdächtige im Zusammenhang mit dem Missbrauchsnetzwerk identifiziert.

Das jüngste Kind, das die Polizei-Ermittlungsgruppe im Missbrauchskomplex "Bergisch Gladbach" aus den Händen seiner Peiniger befreit hat, war gerade einmal drei Monate alt. Das Baby sei vergewaltigt worden, sagte der Leiter der Ermittlungsgruppe "Berg", Michael Esser, am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Köln. Insgesamt seien im Zuge der Ermittlungen in den vergangenen beiden Jahren 65 Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 17 Jahren befreit worden.

Die Mitglieder der Ermittlungsgruppe hätten "enormes Leid gesehen", was zu psychischen Belastungen geführt habe, sagte Esser in seinem Resümee. Die Situationen seien teilweise "sehr surreal" gewesen, etwa wenn die Kinder nach der Trennung von den Missbrauchstätern geweint hätten. Zum Beispiel habe sich ein Mädchen in Aachen während einer Anhörung verzweifelt an einem Stofftier festgeklammert, das es von seinem Onkel geschenkt bekommen habe. "Die Tragik in dieser Aussage nahm uns alle mit, denn dieser Onkel war unser Tatverdächtiger, der ihr unbeschreibliches Leid angetan hatte", heißt es in einem Bericht des Einsatzleiters. "Selbst die erfahrensten Ermittlerinnen und Ermittler waren über die Schwere des Missbrauchs erschüttert."

Der Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach beschreibt ein großes Geflecht von Verdächtigen, die sich im Netz über Kindesmissbrauch austauschten. Der Fall kam ins Rollen, als Ermittler im Herbst 2019 das Haus eines Vaters in Bergisch Gladbach nahe Köln durchsuchten und Unmengen kinderpornografischer Daten fanden. Zudem stießen die Ermittler auf viele Kontakte zu Männern, die im Netz Videos und Abbildungen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs austauschten. Die Polizei kam nach und nach auf mehr als 30 000 verschiedene Spuren. 439 Verdächtige seien mittlerweile identifiziert worden, sagte der Kölner Polizeipräsident Uwe Jacob: "Jede Stunde, die wir hier verwandt haben, war den Einsatz wert."

Insgesamt hätte die Arbeit der Ermittlungsgruppe "Berg" zu 15 "Kernverfahren" geführt, sagte der Leiter der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime NRW, Markus Hartmann. In 13 Fällen seien Täter verurteilt worden, insgesamt seien Freiheitsstrafen von mehr als 80 Jahren verhängt worden. Zwei Angeklagte seien noch vor einem Urteilsspruch gestorben. Die "Besondere Aufbauorganisation Berg" (BAO Berg) der Kölner Polizei hatte 2019 ihre Arbeit aufgenommen. Sie wird nun aufgelöst.

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