Missbrauchsfall in Staufen:Verteidiger fordert mehr als neun Jahre Haft für Mutter

Missbrauchsfall - Prozess gegen Mutter und Lebensgefährte

Berrin T. vor dem Landgericht Freiburg.

(Foto: dpa)
  • Wegen des jahrelangen Missbrauchs eines Kindes in Staufen sind seine Mutter und ihr Lebensgefährte vor dem Landgericht Freiburg angeklagt.
  • Am Mittwoch hat der Verteidiger der Mutter sein Plädoyer gehalten.
  • Die Staatsanwaltschaft hatte vierzehneinhalb Jahre Gefängnis für die Mutter gefordert.

Ihr kommt eine Rolle zu, die schockiert: eine Mutter, die zulässt, dass ihr eigenes Kind von anderen Männern missbraucht, geschlagen, gedemütigt wird. Im Hauptprozess um den jahrelangen Missbrauch eines Kindes in Staufen hat der Verteidiger der Frau neuneinhalb Jahre Haft für seine Mandantin gefordert. Die 48 Jahre alte Berrin T. habe gestanden und sei nicht vorbestraft, sagte Rechtsanwalt Matthias Wagner am Mittwoch vor dem Landgericht Freiburg. Sie sei zur Täterin geworden, weil sie in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem wegen schweren Kindesmissbrauchs vorbestraften Lebensgefährten Christian L. gestanden habe.

Die Staatsanwaltschaft hatte vierzehneinhalb Jahre Gefängnis für die Mutter gefordert sowie dreizehneinhalb Jahre Haft und anschließende Sicherungsverwahrung für den Lebensgefährten.

Von den Behörden wurde Berrin T. als "blinder Fleck" bezeichnet. Schockierend ist das Außmaß ihrer mutmaßlichen Mittäterschaft. Dass jemand für die Vergewaltigung des eigenen Kindes von anderen Geld nimmt, den eigenen Sohn prostituiert - und sogar selbst Hand anlegt, wovon die Staatsanwaltschaft ausgeht. So etwas hielten viele für unvorstellbar.

Dass der Junge nicht früher gerettet wurde, lag offenbar auch daran, dass die Behörden irrtümlicherweise annahmen, die Mutter würde ihren Sohn vor dem Lebensgefährten schützen. Sie sei "sehr überzeugend" gewesen, hieß es von den zuständigen Mitarbeitern. "Wie eine Löwin" habe sie darum gekämpft, ihr Kind bei sich behalten zu dürfen, nachdem die Behörden das Kind im März 2017 bereits in Obhut genommen hatten.

Dass sie mit einem als rückfallgefährdet eingestuften Sexualstraftäter zusammenlebte, war schon früher bekannt. Als Christian L. und Berrin T. sich Ende 2014 oder Anfang 2015 in Staufen kennenlernten, hatte er bereits eine mehr als vierjährige Haftstrafe abgesessen, wegen Missbrauchs von Jugendlichen und einem Kind. Die Polizei hatte das Jugendamt einige Zeit später darauf hingewiesen, dass Christian L. aufgrund pädophiler Straftaten vorbestraft war und dass für ihn ein Kontaktverbot zu Minderjährigen galt.

Gleich zu Beginn der Beziehung soll L. der Mutter zu verstehen gegeben haben, dass er sexuelles Interesse an ihrem Sohn habe. Nur wenn sie das akzeptiere, würde er eine Beziehung eingehen. "Nach kurzer Überlegung", so die Staatsanwaltschaft, habe sie dies akzeptiert. Damit begann ein jahreslanges Martyrium für den Jungen. Sowohl Christian L. als auch andere Männer missbrauchten den Jungen. Dafür bekam das Paar Geld: mal 10 000 Euro, mal nur 200 Euro. Die Kontakte wurden meistens über das Darknet, einen weitgehend anonymisierten Teil des Internets, hergestellt.

Berrin T. soll von diesen Treffen nicht nur gewusst und sie gebilligt haben. Sie soll sogar dabei gewesen und sie vorbereitet haben, zum Beispiel indem sie Fesselmaterial bereitlegte. Sie soll dem Jungen gedroht haben, dass er ins Heim komme, wenn er nicht mitmache. Christian L. soll sie erzählt haben, ebenfalls sexuelles Interesse an Kindern zu haben.

Seine Aussagen zu Berrin T. sind widersprüchlich. Zum einen beschreibt er sie als starke Frau, die sich von niemandem etwas habe sagen lassen. Dann wiederum, dass sie ihm hörig gewesen sei, alles getan habe, was er verlangte. Vor Gericht könnte der Kontrast zwischen den beiden kaum stärker sein: Christian L., neun Jahre jünger als die 48-jährige Berrin T., tritt selbstbewusst vor Gericht, achtet auf eine gepflegte Erscheinung und sagt öffentlich aus. Berrin T. dagegen sitzt zusammengesunken auf ihrem Stuhl, wirkt verwahrlost und spricht nur zögerlich - und nichtöffentlich.

Das Gericht muss nun entscheiden, wie es die Rolle von Berrin T. bewertet.

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