Süddeutsche Zeitung

Prozess um Kindesmissbrauch in Münster:Gericht schließt Öffentlichkeit aus

Der Tatkomplex in Münster ist einer der großen Missbrauchsfälle in NRW. Angeklagt sind mehrere Männer und die Mutter des Hauptverdächtigen. Zum Schutz der Opfer wurde am ersten Prozesstag bereits die Anklage hinter verschlossenen Türen verlesen.

Vor dem Landgericht Münster hat der Prozess gegen mehrere mutmaßliche Täter in einem der großen Fälle schweren Kindesmissbrauchs in Deutschland begonnen. Dem Hauptangeklagten, einem 27-jährigen IT-Fachmann aus Münster, sowie drei weiteren Männern wird unter anderem vorgeworfen, über mehrere Tage hinweg zwei Jungen in einer Gartenlaube schwer sexuell missbraucht zu haben. Die Opfer sollen zuvor mit K.-o.-Tropfen betäubt worden sein.

Mitangeklagt sind ein 35-Jähriger aus Hannover, ein 30-Jähriger aus Staufenberg in Hessen und ein 42-Jähriger aus Schorfheide in Brandenburg. Wegen Beihilfe steht auch die 45-jährige Mutter des mutmaßlichen Haupttäters aus Münster vor Gericht. Sie soll den Männern ihre Gartenhütte überlassen haben - in dem Wissen, was dort passiert. Die Gartenlaube ist mittlerweile abgerissen worden.

Was die Staatsanwaltschaft den Männern genau vorwirft, soll die Öffentlichkeit zum Schutz der Opfer nicht im Detail erfahren. Zu grausam, zu explizit sind die auf 25 Seiten geschilderten Tatvorwürfe, die die Staatsanwaltschaft auf Antrag der Nebenklagevertreter an diesem ersten Prozesstag hinter verschlossenen Türen vorträgt.

Das mutmaßliche Tatgeschehen in der Kleingartensiedlung im April 2020 ist nur eines von mehreren schweren Missbrauchsdelikten, um die es in diesem und anderen noch folgenden Verfahren gehen wird. Der 27-jährige IT-Fachmann aus Münster soll seit mindestens 2018 seinen heute elf Jahre alten Ziehsohn immer wieder vergewaltigt und ihn über das Internet anderen Männern für schwere sexuelle Gewalttaten überlassen haben.

Riesige Datenmengen

Der Mann gilt als Schlüsselfigur im Missbrauchskomplex von Münster mit einer Reihe von Beschuldigten und Opfern aus mehreren Bundesländern. Allein die Staatsanwaltschaft Münster hat Anklage gegen neun Personen erhoben; die Ermittlungen bundesweit laufen gegen mindestens 20 weitere Beschuldigte. In diesen Verfahren haben die Ermittler acht minderjährige Opfer ausgemacht. Immer wieder stammten sie aus dem nahen Familienumfeld der mutmaßlichen Täter.

Ihre Erkenntnisse stützt die Staatsanwaltschaft auf die Auswertung eines zuvor hochverschlüsselten Laptops, der bei dem unter anderem wegen des Besitzes von Kinderpornografie vorbestraften IT-Fachmann 2019 sichergestellt worden war. Als es der Polizei im Mai 2020 gelang, die Festplatten zu knacken, brachte das die Ermittlungen ins Rollen. Die Ermittler stießen bei weiteren Durchsuchungen auf riesige Datenmengen, von denen bisher nur ein Teil entschlüsselt und ausgewertet ist. Allein zu dem Geschehen in der Laube liegen 30 Stunden Videomaterial vor.

Der Fall entfachte eine Debatte um besseren Schutz von Kindern

Nach dem schweren Kindesmissbrauch auf einem Campingplatz in Lügde und einem weiteren Missbrauchskomplex mit mehr als 200 Beschuldigten, der in Bergisch Gladbach seinen Anfang nahm, handelt es sich um den dritten großen Fall der vergangenen Jahre in Nordrhein-Westfalen. Die Entdeckungen der Ermittler in Münster haben die Debatte um besseren Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt neu angefacht. Die Bundesregierung stimmte Ende Oktober einem Gesetzentwurf zu, der unter anderem schärfere Strafen und eine effektivere Verfolgung von Tätern vorsieht.

Für den Prozess in Münster sind nach derzeitiger Planung 29 Verhandlungstage bis Ende Februar vorgesehen. Schon an diesem Freitag geht es weiter. Dann sollen die Angeklagten die Möglichkeit bekommen, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Auch davon wird das Gericht die Öffentlichkeit ausschließen. Während der Ermittlungen haben die Beschuldigten bisher geschwiegen.

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