Süddeutsche Zeitung

Missbrauchsgipfel:Fromme Floskeln helfen niemandem

Der Vatikan nennt den Missbrauchs-Krisengipfel in Rom "Kinderschutzkonferenz". Das klingt positiver. Doch zum Auftakt offenbart sich gleich die gegenwärtige Zerrissenheit der katholischen Kirche.

Kommentar von Matthias Drobinski, Rom

Da fordert Papst Franziskus, die Kirche müsse nun konkret werden bei der Aufarbeitung der weltweiten Fälle sexueller Gewalt gegen Kinder, Jugendliche, Schutzbefohlene. Doch noch am Tag zuvor hat er Kritiker, die nur das Negative sähen, als vom Teufel getrieben bezeichnet; dabei brauchte es Jahre der harten, scharfen und zornigen Kritik der Betroffenen, bis das Thema Missbrauch endlich auf der Tagesordnung der Kirche stand.

Da kämpft Kardinal Luis Antonio Tagle aus Manila bei seiner bewegenden Eröffnungsrede mit den Tränen - ein wirklich starkes Zeichen der Reue und der Umkehr wäre es aber gewesen, es hätte zu Beginn der Beratungen ein Opfer der Gewalt zu den Bischöfen und Kardinälen gesprochen, ohne jede fromme Floskel der Versöhnung. Und während man vielen Bischöfen, die sich in Rom versammelt haben, die Betroffenheit anhört und anmerkt, stellen sich die konservativen Kardinäle Raymond Burke und Walter Brandmüller hin und erklären, dass die Schwulen in der Kirche an allem schuld seien und es keinen besseren Kinderschutz gebe als die "unverkürzte Lehre der Kirche".

Bloße Betroffenheit schafft keine Umehr

Es liegt nun an den im Vatikan versammelten Bischofskonferenzvorsitzenden aus aller Herren Länder, ob das Treffen eine Sammlung allgemeiner Betroffenheitsbekundungen bleibt, oder ob in diesen vier Tagen tatsächlich so etwas wie eine Umkehr beginnt. Sie dürfen nicht mehr um die Frage kreisen, wie die Kirche einigermaßen heil und ohne Kratzer aus dem Schlamassel herauskommt.

Die in Rom versammelten Kirchenführer müssen die Opfer und ihre Wunden in den Mittelpunkt stellen, über Hilfen, Entschädigungen, kirchenrechtliche Konsequenzen für die Täter beraten. Und sie dürfen den bohrenden Fragen ans Selbstbild nicht ausweichen: Hat unsere Rede von der reinen, unverletzbaren Kirche dazu beigetragen, dass die Gewalt, der Abgrund nicht benannt werden durfte? Hat die Art, wie wir den Zölibat leben, Einsamkeit und Überforderung begünstigt und die Tabuisierung der Sexualität Strukturen des Schweigens? Wie gehen wir mit der Macht um, auch der geistlichen, die uns das Amt verleiht?

Am Ende wird dann Papst Franziskus gefordert sein - an seine Rede am Sonntag zum Abschluss des Treffens richten sich hohe Erwartungen. Auch sein Umgang mit dem weltweiten Skandal war bislang ambivalent - er hat Opfer getroffen, starke Wort gefunden, sich zu einer Null-Toleranz-Politik verpflichtet, aber auch schon Taten kleingeredet und Täter verteidigt. Er sollte klarstellen und auch klar im Kirchenrecht verankern: Wer Schutzbefohlenen sexuelle Gewalt antut, kann nicht länger Priester sein, wer die Gewalt deckt oder vertuscht, darf kein Leitungsamt mehr innehaben. Es wäre ein wichtiger Schritt in einem Aufarbeitungsprozess, der noch ganz am Anfang steht.

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