Miss Germany 2014:Bundesprinzessin für ein Jahr

Wahl Miss Germany 2014

Vivien Konca schluchzt mehr als dass sie redet: "Ich möchte etwas verändern. Ich möchte alleinstehenden Frauen mit Kindern helfen."

(Foto: dpa)

"Ich bin stolz, dass ich in Deutschland leben darf": Vivien Konca aus Nordrhein-Westfalen bekennt schluchzend ihre Liebe zum Heimatland und gewinnt die Wahl zur Miss Germany. Die Jury meint, sie dürfe nun Deutschland repräsentieren. Zu Besuch beim Assessment-Center für charmante Top-Diplomatinnen.

Von Roman Deininger und Max Hägler, Rust

Es ist kurz vor elf am Samstagabend, im Europapark Rust hat die entscheidende Interviewrunde begonnen. Neun Kandidatinnen sind übrig, neun Mädchenträume. Vivien Konca, 19 Jahre alt, Miss Nordrhein-Westfalen, bekommt das Mikrofon, sie soll erklären, warum sie eine würdige Siegerin wäre. Sie sagt: "Auch ich denke, dass ich ich selbst bin." Die ersten Tränen fließen. "Ich bin stolz, dass ich in Deutschland leben darf." Ihre Stimme beginnt zu zittern, Vivien Konca schluchzt mehr als dass sie redet: "Ich möchte etwas verändern. Ich möchte alleinstehenden Frauen mit Kindern helfen." Man weiß das erst eine gute halbe Stunde später: Aber man hat gerade die neue Miss Germany erlebt.

Miss Germany, das ist nicht irgendwas: Der bekannteste Schönheitswettbewerb in Deutschland, eine Tradition seit 1927. 5450 Frauen hatten sich diesmal beworben, 24 haben es in die Endrunde im Europapark geschafft. Sogar Harry Wijnvoord, Niederländer bekanntlich, Showmaster und heute Jurymitglied, sagt feierlich: "Das Mädel, die gewinnt, repräsentiert die Bundesrepublik Deutschland." So sehen das alle hier: Der Miss-Wettstreit als Assessment-Center für charmante Top-Diplomatinnen.

Wahl Miss Germany 2014

"Die Wahl hilft mir für die Arbeit", sagt der Schönheitschirurg Professor Werner Mang, auch er ist unter den Juroren. "Hier kann man Trends erkennen, welches Aussehen gerade in welcher Region beliebt ist."

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Für den schillerndsten aller Schönheitschirurgen ist der Abend im Freizeitpark eine Fortbildungsveranstaltung. "Die Wahl hilft mir für die Arbeit", sagt Professor Werner Mang, auch er ist unter den Juroren. "Hier kann man Trends erkennen, welches Aussehen gerade in welcher Region beliebt ist." Mehr oder weniger Popo, dunkles Haar, blondes Haar, normale Frauen, die hier bei Miss Germany gern als "fraulich" bezeichnet werden, oder doch eher die gerade Linie mit knappem Gewicht. Wobei Mang natürlich schon eine Schablone im Kopf hat, unabhängig von allen Trends: "Ich setze hier medizinisch-wissenschaftliche Maßstäbe an: Perfekt muss die neue Miss nicht sein, es geht hier nicht um Models. Aber die Proportion zwischen Beinen und Oberkörper ist wichtig."

"Klar, man wird verheizt"

Daran können die 24 jungen Frauen nichts mehr ändern, als sie sich am Nachmittag vor der Show hinter der Bühne fertig machen fürs große Schaulaufen. Aber an der Oberfläche lässt sich feilen. Hinten im "Styling Room" liegt eine der Damen auf einer Liege, eine Kosmetikerin, gebeugt über eine große Lupe, operiert an ihrem Gesicht herum. Die Abteilung heißt: Wimpern-OP. Vor Kosmetikspiegeln sitzen in zwei Reihen ihre Konkurrentinnen - und auch manch alte Hasen, die diesmal Ehrengäste sind und viel zu erzählen haben: Doris Schmidts etwa, Miss Germany 2009. Auf dem Schoß eine Louis-Vuitton-Handtasche, lässt sie sich die dunklen langen Haare machen, es raucht und zischt. "Miracurl" heißt das Gerät, das wie von selbst Strähnen einzieht und daraus Locken formt. Locken? Ist das nicht so was von achtziger Jahre? "Ein bisschen pompös muss es eben schon sein hier", sagt Schmidts, 25.

Miss Germany, was hat ihr das gebracht? Doris Schmidts hat einen Bachelor in Wirtschaft, sie wollte in die Medien. Jetzt modelt sie und moderiert sie bei einem People-Magazin, macht im Herbst ein Volontariat. "Klar, man wird verheizt, nachdem man gewonnen hat, aber man bekommt eben viele Kontakte", sagt sie beim Fingernägellackieren. "Ich nutze schon aus, dass ich hübsch bin, gerade bei Vertragsverhandlungen mit Männern." Andererseits habe es eine Miss nicht leicht bei der Partnersuche: Junge Männer sind oft verschüchtert und das Ego leidet bei vielen, wenn sie eine Miss als Freundin haben." Auch nervig: "Die Alten grabschen." Hinter Schmidts stromert da gerade ein mittelalter Mann mit Kamera durch den Raum, auf seinem T-Shirt steht: "Ich will dich vor meiner Digicam". Na ja, sagt Schmidts, ein echtes Problem habe sie nicht mit all den seltsamen Avancen: "Mich stört es nicht, auf das Äußere reduziert zu werden."

Abgeklärt klingt das, während die jungen Kolleginnen um sie herum mit Lampenfieber ringen. Magdalena Motl aus Radebeul, Krankenpflegerin, 23 Jahre alt, amtierende Miss Sachsen, hat Schminkpause. Sie erzählt von den vergangenen drei Wochen Training, drei Wochen Girlscamp, drei Wochen an der Eliteschule des Lächelns. Früher wurden die Damen dafür nach Ägypten geflogen, diesmal nur in den Freizeitpark "Tropical Island" in Brandenburg. Wie alle Kandidatinnen versichert Magdalena Motl, dass man sich allerbestens verstanden habe und viele Freundschaften entstanden seien. Und sie erzählt von den "Challenges", die zu bewältigen waren: eine Supertalent-Show, bei der Miss Sachsen einen Mundart-Sketch zur Aufführung brachte; ein Medientraining, das offensichtlich erfolgreich war. Außerdem: Karaoke-Wettbewerb, Laufsteg-Coaching, Dirndlshooting, Knigge-Essenskurs. Magdalena Motl hat da etwa gelernt, dass man ein Sektglas vom Empfang niemals mit an den Tisch nimmt.

Beim Backwettbewerb war die Sahne zu wässrig

Beim Schwarzwälder-Kirschtorten-Backwettbewerb holte Miss Sachsen den zweiten Platz, ausgerechnet in dieser Disziplin landete Lydia Wellbrock unter ferner liefen: "Meine Sahne war zu wässrig." Dabei ist die 23-jährige Veranstaltungstechnikerin vom Nationaltheater Mannheim die Lokalmatadorin, die Miss Baden-Württemberg. Mit einem Müsliriegel in der Hand spricht sie über das Großthema Ernährung: "Jede Frau fühlt sich körperlich irgendwie unwohl." Hungern würde sie aber nicht, um irgendein vermeintliches Fettpölsterchen wegzubekommen: "Dafür ess ich zu gerne."

Wahl Miss Germany 2014

Die Uridee, hat Klemmer Senior mal gesagt, war: "Wir wollen Gäste, wir wollen Umsatz, also machen wir etwas mit schönen Frauen."

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Kein Problem: Im "Styling Room" gibt es auch Schoko-Muffins, Vanille-Creme und ein buntes Sortiment an Schokoriegeln. "Essstörungen hat hier wohl niemand", sagt Maik Irmisch, alle nennen ihn nur den "Missen-Doc". Seit er vor langer Zeit mal zufällig mit den Miss-Germany-Kandidatinnen im Flugzeug saß, kümmert sich der Mediziner aus Dresden um die Wehwehchen der Damen: "Die geben einen Kajalstift einfach weiter und am Ende haben alle eine Bindehautentzündung." Irmisch hatte aber auch schon mit ernsteren Sorgen zu tun: Eine Kandidatin fiel mal vom Quad und das Quad auf sie drauf. An diesem Abend muss Irmisch jedoch nicht eingreifen, er darf theoretisch bleiben: "Aus orthopädischer Sicht sind High Heels sicher problematisch."

Die Showbühne leuchtet, die Moderatoren Alexander Mazza und Ines Klemmer begrüßen die 1000 Gäste. Miss Germany ist eine Familienveranstaltung: Ines Klemmer war 1991 Miss Germany, sie ist die Frau des Miss-Germany-Corporation-Geschäftsführers Ralf Klemmer. Ihr Schwiegervater Horst Klemmer, der ganz früher mal Heinz Erhardt gemanagt hat, hat das MGC-Imperium aufgebaut. Die Uridee, hat Klemmer Senior mal gesagt, war: "Wir wollen Gäste, wir wollen Umsatz, also machen wir etwas mit schönen Frauen." Und so funktioniert das heute noch. Die Miss-Wahl ist so etwas wie eine etwas altmodischere Variante der Topmodel-Suche im Fernsehen. Die Organisatoren fühlen sich nicht bedrängt von der TV-Konkurrenz, eher befeuert. Mittlerweile gibt es auch eine Miss-Wahl für verheiratete Frauen und eine Wahl zur "Miss 50 plus".

Miss Südwestdeutschland interessiert sich hobbymäßig für "Grammatik"

In Reihe eins sitzt Caroline Noeding, die amtierende Miss Germany, neben ihr Box-Europameister Robin Krasniqi, dem sie dem Vernehmen nach verfiel, als er für sie am Ring mit seinen Händen ein Herz formte. Vorne am Laufsteg die Jury: Reiner Callmund macht den Witz, den er immer macht - dass sein Anzug aus dem Zeltverleih sei. Seine Prognose: "Nix im Kopf und viel in der Bluse - dat läuft hier net." Ein Modedesigner sagt, er trage auch im Saal Sonnenbrille, um von so viel Schönheit nicht geblendet zu werden. Die Siegerin von 2003 kündigt an, die Bewerberinnen müssten ein "komplettes Bild" mitbringen: "Das fängt oben an und endet unten." Roberto Blanco zitiert deutsches Liedgut: "Ob blond, ob braun, ich liebe alle Frau'n."

In hochgeschnittenen Badeanzügen paradieren die jungen Frauen über die Bühne, dann in selbstgewählten Abendkleidern, dazu gibt es eine kurze Vorstellungsrunde. Miss Südwestdeutschland interessiert sich hobbymäßig für "Grammatik", Miss Thüringen mag "Unternehmungen mit Menschen und Tieren", Miss Bayern boxt. Eine sagt: "Es ist wie ein Mädchentraum, den man weiterträumen darf." Neun Kandidatinnen dürfen weiterträumen: Zwei Dunkelhaarige, der Rest ist blond. Miss Sachsen ist raus - vielleicht weil sie doch zu viel Make-Up aufgelegt hat. Jetzt bleibt als Spaß nur noch die Aftershow-Party. An manchen Tischen regt sich Unverständnis: "Der Callmund hat keine Ahnung!"

Wahl Miss Germany 2014

Praktisch alle Kandidatinnen berichten, dass sie in der dreiwöchigen Vorbereitung als Person "gewachsen" seien.

(Foto: dpa)

Die Entscheidung naht, letzte Gesprächsrunde. Praktisch alle Kandidatinnen berichten, dass sie in der dreiwöchigen Vorbereitung als Person "gewachsen" seien. Miss Hessen erläutert: "Es ist toll, wenn man Menschen mit einem Autogramm glücklich machen kann. Wenn man Menschen auf diese Art erreicht." Als Miss Süddeutschland, die einzige Dame mit Kurzhaarfrisur, zum Mikro wandelt, stößt irgendwer im Raum einen markerschütternden Schrei aus. "Das ist mein Papa", sagt Miss Süddeutschland. Moderator Mazza, 1 Meter 94, nutzt das Kurzinterview mit Miss Pearl.TV, um die junge Dame dezent auf seinen Größenvorteil hinzuweisen: "Deswegen ist dein Ex-Freund auch dein Ex-Freund: Der war zu klein."

Wenige Minuten später steht Vivien Konca ganze vorne an der Bühne, ganz allein, die Krone im blonden Haar, Tränen in den Augen. Hinten im Saal hüpft ihre Familie vor Glück. Miss Nordrhein-Westfalen ist jetzt Miss Germany, Bundesprinzessin für ein Jahr. Ihr Studium zur Handelsfachwirtin wird Vivien Konca solange unterbrechen. Die Nationalhymne läuft vom Band, Miss Germany weint im Takt der Musik.

Miss Germany 2014 Vivien Konca

Miss Nordrhein-Westfalen ist jetzt Miss Germany, Bundesprinzessin für ein Jahr.

(Foto: dpa)

Schönheitsexperte Mang betrachtet die Szene zufrieden. "Nicht jede muss 1,80 Meter sein", sagt er, Konca ist nur 1,74. "Keine Cellulite, die Beine waren okay, der Body-Mass-Index über 20, das ist gut." Fazit: "Ein natürliches Mädchen." Es sei schon bemerkenswert, sagt Mang, wie viel Übereinstimmung es in der Jury doch immer gebe. Reiner Calmund zum Beispiel habe dieselben drei Damen wie er aufs Treppchen gewählt: "Calli aus dem Bauch heraus, ich aufgrund meiner Fachkompetenz. Das ist schon interessant."

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