Süddeutsche Zeitung

Französische Marine: In 2370 Metern Tiefe

  • 51 Jahre nach dem Unglück lso wurden die Reste der Minerve geortet, in 2370 Metern Tiefe.
  • Das 57 Meter lange Boot ist, wie eine Auswertung der ersten Unterwasserbilder ergibt, in drei Stücke zerborsten.
  • Als die Nachricht kam, fühlten sich viele der Hinterbliebenen "überwältigt, benommen, brechen in Tränen aus".

Von Leo Klimm, Paris

Fünfmal war das U-Boot gesucht worden. Das war in den beiden Jahren, nachdem die Minerve am 27. Januar 1968 mit 52 Mann an Bord vor der französischen Mittelmeerküste verschwunden war. Und bei jeder Suche wurden die Hoffnungen der Angehörigen aufs Neue enttäuscht. Bereits 1970 erklärte Frankreichs Marine die Suche dann für beendet. Sie verfiel in ein fünf Jahrzehnte währendes Schweigen. An diesem Montag hatte es ein Ende.

"Wir haben gerade das Wrack der Minerve gefunden", verkündete Frankreichs Verteidigungsministerin Florence Parly über den Kurznachrichtendienst Twitter. "Das ist ein Erfolg, eine Erleichterung und eine technische Meisterleistung. Meine Gedanken sind bei den Opferfamilien, die so lange auf diesen Moment gewartet haben." 51 Jahre nach dem Unglück also wurden die Reste der Minerve zweifelsfrei geortet, in 2370 Metern Tiefe, 18,5 Seemeilen (etwa 35 Kilometer) vor dem Militärhafen von Toulon, östlich von Marseille. Das 57 Meter lange Boot ist, wie eine Auswertung der ersten Unterwasserbilder ergibt, in drei Stücke zerborsten.

"Das ist eine Erleichterung, das sorgt für viel Rührung", sagt Hervé Fauve, dessen Vater André der Oberkommandierende des Unglücksschiffs war und der wie alle anderen Besatzungsmitglieder nicht von jener Ausfahrt Anfang 1968 heimkehrte. Als die Nachricht kam, dass die Minerve gefunden sei, fühlten sich viele der Hinterbliebenen "überwältigt, benommen, brechen in Tränen aus", berichtet Fauve im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP. "Diese 52 Matrosen waren aufgegeben worden. Ich war aber immer überzeugt, dass wir sie wiederfinden würden", sagt Fauve.

Das Schweigen der Generäle in Paris heizte die Gerüchte noch an

Tatsächlich hatte Ministerin Parly, die nun stolz den Erfolg bekannt gibt, die Wiederaufnahme der Suche nach der Minerve zu Anfang dieses Jahres erst auf Druck der Angehörigen angeordnet. Hervé Fauve hatte von Anfang 2018 an über eine Internetseite, die dem Verschwinden der Minerve gewidmet war, in Frankreich Öffentlichkeit für den Fall hergestellt und 41 der 52 betroffenen Familien hinter sich versammelt.

Im vergangenen Winter startete schließlich die neue Suchaktion der französischen Marine und der nationalen Behörde für Meeresforschung, die sich dabei auf wesentlich modernere Technologie stützen konnten als die Kommandos vor einem halben Jahrhundert. Endgültige Sicherheit darüber, dass das Wrack gefunden war, brachten die Unterwasserdrohnen des privaten US-amerikanischen Spezialboots Seabed Constructor. Das hatte im Herbst 2018 schon das Wrack des argentinischen U-Boots San Juan aufgespürt, das ein Jahr zuvor im Südatlantik havariert war.

"Es geht darum, ihnen ein letztes Adieu mitzugeben"

Über die Ursache des Minerve-Unglücks ist in Frankreich in den Jahren nach der Katastrophe viel spekuliert worden - zumal das Schweigen der Generäle in Paris die Gerüchte noch anheizte. Das Diesel-betriebene Militärschiff der sogenannten Daphné-Klasse galt der französischen Marine seinerzeit als "unsinkbar". Bis es an jenem Wintermorgen 1968 bei rauer See eben doch sank; binnen vier Minuten, wie später freigegebene Archivaufzeichnungen des Verteidigungsministeriums offenbarten. Als Auslöser des Unglücks kommt in Betracht, dass Wasser über das Belüftungssystem eingedrungen ist, oder aber, dass ein an Bord geladener Torpedo explodierte.

Manche Hinterbliebene glauben dagegen an einen Angriff eines feindlichen sowjetischen U-Boots. Nun hoffen die Angehörigen, dass der Fund des Wracks Aufschluss darüber gibt, warum die 52 Marinesoldaten 1968 wirklich gestorben sind. Das Verteidigungsministerium äußerte sich dazu am Montag nicht. In einem Punkt macht sich Hervé Fauve, der das Ministerium angetrieben hatte, die Minerve noch einmal zu suchen, keine Hoffnung mehr: dazu, dass die sterblichen Überreste seines Vaters oder der anderen Männer gefunden werden könnten. Aus dem Studium ähnlicher Fälle weiß er, dass nach so langer Zeit keine Aussicht besteht, Leichen zu bergen. Doch es wird eine Totenfeier geben. Draußen, auf dem Meer, 18,5 Seemeilen vor Toulon. Genau über der Stelle, an der das Wrack jetzt gefunden wurde. "Es geht darum, ihnen ein letztes Adieu mitzugeben", sagt Fauve. 51 Jahre nach dem Unglück.

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SZ vom 23.07.2019/fzg
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