Milch-Skandal in China:Angst um die Kinder

Chinas Eltern in Angst: Der Milch-Skandal kostet einem weiteren Baby das Leben, nun wurde die Chemikalie Melanin auch in Flüssigmilch gefunden.

Henrik Bork, Peking

Wütende Eltern mit Säuglingen im Arm standen am Donnerstag in Chinas Krankenhäusern Schlange. "Diese Krankheit kann das ganze Leben meines Kindes ruinieren", sagte Wu Youliang einem Reporter der Qianjiang Abendzeitung. Seine zehn Monate alte Tochter Yu Yu war soeben mit Nierensteinen diagnostiziert worden. Wus Frau hatte sie monatelang mit Milchpulver der Marke Sanlu gefüttert. Auch der Zwillingsbruder der Kleinen, Hao Hao, ist krank.

Milch-Skandal in China: Weinende Kinder, verunsicherte Eltern: Der Milch-Skandal in China weitet sich aus.

Weinende Kinder, verunsicherte Eltern: Der Milch-Skandal in China weitet sich aus.

(Foto: Foto: AP)

Chinas Behörden und Medien hatten den Skandal zunächst monatelang totgeschwiegen, um während der Olympischen Spiele keine Unruhe aufkommen zu lassen. Erst als selbst in Neuseeland Kinder erkrankten und die dortige Regierung an die Öffentlichkeit ging, hat Peking zu handeln begonnen. Auch die zensierten Staatsmedien dürfen jetzt mit Einschränkungen über die mittlerweile vier verstorbenen Säuglinge und mehr als 6000 erkrankten Kinder berichten. Das bislang vierte Todesopfer, ein acht Monate altes Baby, starb in der Nordwestprovinz Xinjiang, berichtet die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Die Berichte haben aber nun eine landesweite Panik ausgelöst.

Nicht nur in Hangzhou, auch vor Kinderkrankenhäusern in Peking, Shanghai und vielen anderen Städten bilden sich lange Warteschlangen. Manche Eltern standen am Donnerstag bereits 24 Stunden an. Mehr als 1000 Menschen warteten allein vor dem Pekinger Kinderkrankenhaus. Landesweit fragen sich Eltern und Konsumenten, welche Produkte noch sicher sein könnten, nachdem in allen drei führenden Marken chinesischen Milchpulvers Melamin gefunden worden war. Das Pulver war verseucht worden, weil Zwischenhändler die Milch der Bauern mit Wasser gestreckt hatten und dann die Chemikalie Melamin beigemischt hatten, um künstlich einen höheren Proteingehalt vorzutäuschen. Bei Säuglingen kann Melamin, das auch bei der Beschichtung von Spanplatten eingesetzt wird, Lebensgefahr bedeuten. Das staatliche Fernsehen berichtete am Donnerstag, dass die Chemikalie nun auch in Flüssigmilch der drei größten Milchproduzenten des Landes nachgewiesen worden sei. Zuvor hatten die Behörden in Hongkong mitgeteilt, dass auch chinesisches Speiseeis, Joghurt und Milchgetränke Melamin enthielten.

Chinas Regierung versuchte zugleich, die Bevölkerung mit der üblichen Mischung aus Abwiegelung und harten Strafen gegen einzelne Sündenböcke zu beruhigen. Inzwischen befänden sich 18 Personen in Haft, teilte ein Polizeisprecher mit. Die Zentralregierung in Peking gab bekannt, dass 5000 Inspektoren überall im Land unterwegs seien, um Milchprodukte zu untersuchen. Die Generalmangerin der Firma Sanlu sei entlassen worden und auch aus der Kommunistischen Partei Chinas ausgeschlossen worden, berichteten Staatsmedien.

Auch fünf Provinzbeamte haben inzwischen ihre Posten verloren, darunter der Bürgermeister von Shijiazhuang. Die systematischen Schwächen der chinesischen Lebensmittelkontrollen dürfen jedoch in den Medien des Landes nach wie vor nicht angesprochen werden. So sind häufig die Leiter großer Staatsbetriebe ebenso von der Kommunistischen Partei ernannt wie die Leiter der Kontrollbehörden, die örtlichen Richter und Chefredakteure. Die Verflechtung ihrer Interessen verhindert unabhängige Kontrollen.

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