Microsoft-Gründer Bill Gates:Noch kurz die Welt retten

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Bill Gates, zweitreichster Mann der Welt, spendete die Hälfte seines Vermögens für humanitäre Zwecke.

(Foto: AFP)

An diesem Donnerstag erhält der Unternehmer Bill Gates den Medienpreis "Bambi". Mit seiner humanitären Stiftung will der zweitreichste Mensch der Erde die Ungleichheit beseitigen - mit deutscher Hilfe. Eine Begegnung in Berlin.

Von Christina Berndt und Alexander Hagelüken, Berlin

Kein Zweifel: Der große Gates ist in die Jahre gekommen. Vorbei die Zeiten, als er mit Kastenbrille, Pulli und Wuschelhaaren wie der Inbegriff des Computernerds aussah. Beim Treffen im teuren Hotel Adlon trägt Bill Gates einen großkarierten Anzug, wenn auch nicht nach der neuesten Mode. Alles ist bereit für den roten Teppich, der ihm an diesem Donnerstag zur Verleihung des sogenannten Millennium-Bambi ausgerollt wird. Draußen vorm Hotel stehen schon die Limousinen für den Bambi-Fahrservice.

Der Gründer von Microsoft wirkt nicht wie einer, dem solche Veranstaltungen den größten Spaß machen. Er tut es eben für die Sache. Für seine Stiftung, in die der zweitreichste Mann der Welt (nach dem mexikanischen Medienunternehmer Carlos Slim) etwa die Hälfte seines Vermögens von rund 70 Milliarden Dollar gesteckt hat.

"Wir glauben, dass die Welt besser werden kann", sagt Gates. Deshalb nutzt er seine Deutschlandreise für seine Zwecke. An diesem Donnerstag trifft er Bundeskanzlerin Angela Merkel, im Laufe der Woche auch Bundespräsident Joachim Gauck, den Finanzminister Wolfgang Schäuble und die Forschungsministerin Johanna Wanka. Gates hat zur Jahrtausendwende mit seiner Frau Melinda eine Stiftung für humanitäre Zwecke gegründet. Nun hat er schon wieder neue Pläne, und dafür will er die Mithilfe von Deutschlands Polit-Elite gewinnen.

Drei Milliarden Dollar pro Jahr

Gegen Aids, Malaria und Tuberkulose - die großen Killer - hat die Stiftung ihr Geld bisher vor allem eingesetzt. Rund drei Milliarden Dollar schüttet die Stiftung pro Jahr aus; sie ist damit der größte private Geldgeber in der Entwicklungshilfe. Bill und Melinda Gates haben viel in die Entwicklung von Impfstoffen investiert und helfen bei dem ehrgeizigen Ziel, die Kinderlähmung (Polio) auszurotten, die in einigen Ländern immer wieder aufflammt.

Auch auf das heikle Terrain der Empfängnisverhütung haben sie sich gewagt. Nur wenige Entwicklungshelfer setzen sich für Zugang zu Verhütungsmitteln ein, weil Konflikte mit der mächtigen katholischen Kirche dabei programmiert sind. Melinda aber reiste diese Woche nach Äthiopien, um sich auf der Internationalen Familienplanungskonferenz in Addis Abbeba für Empfängnisverhütung einzusetzen. Die sei nicht nur für ein selbstbestimmtes Leben von Frauen wichtig, sondern auch für die Armutsbekämpfung.

Bill Gates und Olafur Eliasson

Bill Gates (3. vr) und der dänische-isländische Künstler Olafur Eliasson (2. vr) bei der Unterzeichnung des Aufrufs 'Artikel ONE' in Berlin. Dieser fordert die nächste Bundesregierung auf, im nächsten Koalitionsvertrag signifikante, jährliche Erhöhungen für Entwicklungshilfe einzuplanen.

(Foto: dpa)

Das neueste Gates-Projekt klingt auch nicht gerade zurückhaltend: Er wolle "die Ungleichheit in der Welt bekämpfen", erzählt Gates der Süddeutschen Zeitung am Mittwoch in Berlin. Er kommt gerade aus Nigeria, wo er viele Polio-Opfer im Rollstuhl gesehen hat - und was es bedeutet, in einem Entwicklungsland behindert zu sein. "Wir können eine Welt schaffen, in der ein Kind aus einem armen Land mit der gleichen Wahrscheinlichkeit überleben und gedeihen kann wie ein Kind in einem wohlhabenderen Land mittleren Einkommens."

Aber ist das wirklich realistisch? Gates gibt sich überzeugt. In der nigerianischen Zehn-Millionen-Stadt Lagos, in der er tags zuvor war, sei es zwanzig Mal so wahrscheinlich wie in einem westlichen Industriestaat, dass ein Kind stirbt. "Wenn wir unseren Job machen, können wir das in den nächsten zwanzig Jahren ändern." Man dürfe ja nicht vergessen, dass es schon viel Fortschritt gegeben habe in den vergangenen Jahren. Seit seine Stiftung einen Schwerpunkt auf den Kampf gegen Kinderlähmung gelegt hat, gelang es, die Krankheit in Indien auszurotten. Nachdem er schon aus dem Homo sapiens den Homo computicus gemacht hat, will er das Leben der Menschheit in nur einer Generation nochmal komplett umkrempeln.

Warum Gates sein Geld in die Stiftung steckt

Es sei eine simple Idee gewesen, die ihn dazu gebracht habe, sein Geld in eine humanitäre Stiftung zu stecken, erzählt Bill Gates: "Dass alle Leben denselben Wert haben. Daraus folgt, dass alle Menschen, egal wo sie leben, die Möglichkeit haben sollten, sich ein gutes Leben aufzubauen." Millionen Menschen, die mit dem Aids-Erreger HIV infiziert sind und die einst nur noch auf den Tod warteten, können heute dank Behandlung lange leben. Während früher viele Kinder an vermeidbaren Krankheiten wie Diarrhö und Lungenentzündung starben, kommen sie nun an lebensrettende Impfstoffe. Bei der Bambi-Verleihung will er sich auch beim deutschen Volk für seine Großzügigkeit beim Spenden bedanken. Darauf könnten die Deutschen stolz sein.

Gates' Stiftung ist inzwischen weniger umstritten als am Anfang. Anfänglich hatten viele professionelle Helfer noch die Nase gerümpft über diesen Milliardär, der in Konzernchef-Manier und mit dickem Portemonnaie in Afrika einfiel, um dort die Entwicklungshilfe unternehmerisch umzukrempeln. Die Stiftung machte sich durch manche Fehlentscheidungen angreifbar. So unterstütze sie ausgerechnet ein Aids-Projekt in Botswana, einem der reicheren Länder Afrikas - und zog so Ärzte aus Nachbarländern ab, die dort noch viel dringender gebraucht wurden.

Inzwischen arbeitet die Stiftung mit den Großen der Helfer-Branche und auch mit vielen kleineren Organisationen zusammen. Er prüfe den Erfolg seiner Interventionen sehr kritisch - und säge die nicht effizienten auch sogleich ab, versichert Gates.

Kritik und Lob

"Wir sehen die Stiftung immer noch differenziert", sagt Jörn Kalinski von der Hilfsorganisation Oxfam. "Viele Regierungen und Institutionen verstecken sich mittlerweile hinter Gates und erfüllen ihre eigene Pflicht etwa zur Gesundheitsfinanzierung oder bei der Entwicklung von Impfstoffen nicht." Oliver Moldenhauer, der viele Jahre für verschiedene Nichtregierungsorganisationen zum Thema Zugang zu Medikamenten gearbeitet hat, kritisiert vor allem einen "Kuschelkurs mit der Pharmaindustrie". Die Stiftung setze der Preispolitik der Konzerne nichts entgegen, bemängelt Moldenhauer.

Es sei aber extrem wichtig, auch weiterhin Druck auf die Industrie auszuüben, damit diese etwa Aids-Medikamente in armen Ländern billiger abgibt oder die Herstellung von billigen Nachahmerprodukten toleriert. Gates entgegnet darauf, dass diese Frage doch weithin geklärt sei. Die Pharmaindustrie gebe doch schon seit Jahren in den ärmsten Ländern Medikamente zum Selbstkostenpreis ab. In anderen Staaten müssten die Firmen aber Geld verdienen, um neue Medikamente entwickeln zu können.

Kritisch sieht Moldenhauer auch den großen politischen Einfluss der Stiftung, die sich durch Spenden in vielen Vorständen von Entwicklungsorganisationen einen Platz verschafft hat und viel Geld in Lobbyarbeit investiert: "Die Stiftung hat erheblichen politischen Einfluss, ohne demokratisch legitimiert zu sein." Insgesamt aber begrüßt Moldenhauer Gates' Wirken: "Wir sind glücklich, dass es die Stiftung gibt. Mit ihrer Hilfe ist die Welt zweifelsohne schon ein besserer Ort geworden."

Das könnte Gates selbst nicht besser sagen. Er nippt nochmal an der Cola light, die er aus der Flasche trinkt, und steht auf. Der nächste Termin wartet. Er muss weiter - die Welt retten.

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