Ach, war das lustig, als der Sohn des Hauptangeklagten am ersten Prozesstag einem Filmteam erklären wollte, was in seinen Augen eine richtige Erpressung ist und was nur eine eindringliche Verkaufsverhandlung. Und wie lachte die Republik, als der Herr Sohn vom Anwalt des Vaters eilig von der Kamera weggezerrt wurde, bevor er noch mehr seiner Schlawiner-Weisheiten von sich geben konnte. Ja, wenn es nicht um das Eigentliche geht, dann kann dieser Prozess um die versuchte Erpressung der Familie des verunglückten Rennfahrers Michael Schumacher auch recht lustig sein.
Das Eigentliche aber ist nicht lustig: dass ein paar Möchtegern-Geschäftemacher versuchten, auf dem Rücken eines wehrlosen Menschen Millionen zu machen. Indem sie drohten, ihn und sein Leid öffentlich auszustellen und Videos von ihm im Krankenbett zu verkaufen. Wenn die Familie Schumacher ihnen nicht 15 Millionen rüberreicht.
Für diese Drohung, die eben keine nette Verkaufsverhandlung war, hat das Amtsgericht Wuppertal den Vater des so auskunftswilligen Sohnes zu drei Jahren Haft verurteilt – wegen Erpressung in einem besonders schweren Fall. Und auch der andere Sohn, der dem Vater für seinen Deal eine angeblich nicht nachverfolgbare Mailadresse besorgt hatte, soll eine sechs Monate lange Haftstrafe bekommen, allerdings auf Bewährung. Günstig für die beiden wirkte sich ihr Geständnis aus, sie hatten bereits am ersten Verhandlungstag im Dezember gesagt, sie hätten einen Fehler gemacht, und trugen dann zur Aufklärung bei. „Ich hab den Scheiß gebaut“, sagte Yilmaz T., 53, Türsteher, und hatte dabei seinen alten Kumpel Markus F., ebenfalls 53, aus der Security-Szene belastet: Der habe ihm die privaten Videos von Schumacher gegeben, um sie zu Geld zu machen. Markus F. hatte jahrelang für die Familie Schumacher gearbeitet.
Yilmaz T.s Verteidiger erklärte in seinem Plädoyer, dass seinem Mandanten klar war, dass es sich um eine Erpressung handelte. „Herr T. hat erkannt, dass das kein Geschäft unter Gleichberechtigten war.“ Und er habe sich auch entschuldigt. Diesmal ist der Sohn, der vor der Kamera so schön über die familieninterne Definition von Erpressung schwadronieren konnte, still. Er sitzt schweigend in der letzten Besucherreihe. Sein Vater aber sagt in seinem letzten Wort klar: „Ich schäme mich sehr. Ich hätte mich nicht drauf einlassen sollen. Es ist eine sehr, sehr widerliche Sache, was ich da gemacht habe. Ich akzeptiere jede Strafe.“

Schumacher-Prozess:50 Sekunden TV-Gold
Ein Sohn eines wegen Erpressung Angeklagten im Schumacher-Prozess gibt ein Interview, das in die Fernsehgeschichte eingehen wird.
Für das Gericht unter Birgit Neubert steht der Tatverhalt fest. Markus F. hat die Videos an Yilmaz T. weitergegeben, mit dem er seit vielen Jahren bekannt und vielleicht auch befreundet war. Nur Markus F. konnte die interne Rufnummer im Haus Schumacher kennen, die der Erpresser dann anwählte. Für das Gericht besteht kein Zweifel, dass Markus F. der Ursprung der Erpressung war. „Er hat die Sache ins Rollen gebracht“, sagte die Richterin. „Er hat den wesentlichen Beitrag zur Tat geleistet.“ Markus F. habe sich der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs schuldig gemacht, als er die Videos von Michael Schumacher mit sich nahm und weitergab.
Dennoch verurteilte ihn das Gericht nur wegen Beihilfe zur versuchten Erpressung und nicht als Mittäter, wie das die Anwälte der Familie Schumacher gefordert hatten. Richterin Neubert sagte, das Gericht habe Probleme, objektiv festzustellen, ob Markus F. die Details des Erpressungsversuchs kannte, vor allem die Höhe der Summe, die Yilmaz T. von Familie Schumacher forderte. Deswegen sieht das Gericht ihn nur der Beihilfe zur Tat schuldig. Das Urteil für Markus F: zwei Jahre auf Bewährung, immerhin doppelt so viel, wie der Staatsanwalt gefordert hatte. Nach dem Urteil kündigten die Anwälte von Familie Schumacher an, in Berufung zu gehen.
Denn Markus F. stand im Mittelpunkt des Prozesses. Jahrelang hatte er als Sicherheitsmitarbeiter im Schumacher-Anwesen am Genfer See gearbeitet. Markus F., grauhaarig, schmallippig, hatte jegliche Schuld von sich gewiesen. Er habe die Videos nicht weggeschafft, er habe sie nur im Auftrag von Michael Schumachers Frau Corinna digitalisiert und deswegen in sein Zimmer gebracht – und das sei eines Tages nach einer kurzen Abwesenheit durchwühlt, die Videos seien weg gewesen. Das ließ er seinen Anwalt vortragen. Das Gericht nahm ihm das nicht ab.
Im Prozess war deutlich geworden, dass er offenbar aus Enttäuschung über seine Kündigung gehandelt hatte – und vielleicht nicht allein war. Womöglich wollte auch eine ebenfalls gekündigte Krankenschwester der Schumachers von der Erpressung profitieren. Aber sie lebt in der Schweiz und ist nicht vor Gericht erschienen. Ob und wie sie beteiligt war, hat die Staatsanwaltschaft nicht aufgeklärt.
Oberstaatsanwalt Daniel Müller hatte zuvor in seinem Plädoyer gesagt, das ganze Verteidigungskonstrukt von Markus F. sei eine reine Schutzbehauptung. Dass sein Zimmer durchwühlt worden wäre, sei nicht nachzuweisen. Besonders verwerflich, so der Staatsanwalt, sei der „lange auf Vorrat geplante Vertrauensbruch von Markus F. gegenüber seinen Arbeitgebern“.
F.s Verteidiger Harald Benninghoven dagegen hatte Freispruch gefordert. Seinem Mandanten sei nichts nachzuweisen. Und Markus F. selbst? Starrte auf den Tisch – wie schon den ganzen Prozess über. In seinem letzten Wort sagte er nur: „Ich schließe mich den Worten meines Verteidigers an.“ Nun gehen alle drei Angeklagten als freie Männer aus dem Gericht. Ihre Haftbefehle wurden gegen Kaution aufgehoben.
Die verschwundene Festplatte ist übrigens immer noch nicht gefunden – und könnte, so die Befürchtung der Familie Schumacher, demnächst wieder auftauchen, für weitere „Geschäftsverhandlungen“.