"Unendliche Geschichte":Phantásien ist vor Gericht verloren

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Noah Hathaway als Atréju in der Verfilmung von "Die unendliche Geschichte" von 1983. (Foto: dpa)

Wer darf mit der "Unendlichen Geschichte" Geld verdienen? Wie so oft entscheidet ein Gericht über die Zukunft von Kindheitshelden. Der Besuch einer fantasielosen und sumpftraurigen Urteilsverkündung.

Von Martin Zips

Atréjus Schicksal wird im Erdgeschoss des Münchner Oberlandesgerichts für Zivilsachen verhandelt. Das öffentliche Interesse ist gering. Der Richter und die Protokollantin erschrecken sogar ein wenig, als sich jemand zu ihnen gesellt, in den Saal E06. "Möchten auch Sie ins Protokoll mit aufgenommen werden?", fragt der Richter unter den herrlich gewölbten Decken des alten Justizgebäudes an der Prielmayerstraße. "Nicht unbedingt", antwortet der einzige Zuhörer.

Dann wird sich erhoben. Zur Urteilsverkündung über leeren Tischen, im Namen des Volkes. Der Text wird rasend schnell verlesen, auf der Zuhörerbank kann man kaum folgen. Man meint das Wort "Drittwiderbeklagter" zu vernehmen, sowie den Ausdruck "vorläufig vollstreckbar". Es geht um Vermarktungsrechte von Michael Endes Werk "Die unendliche Geschichte".

Kindliche Kaiserin und Fuchur

Doch, schade, kein einziges Wort über Bastian Balthasar Bux, den Bücherfreund. Auch nicht über das Reich Phantásien, in dem die Kindliche Kaiserin dringend Hilfe braucht. Selbst Glücksdrache Fuchur wird nicht erwähnt, auch nicht Krieger Atréju, dessen Pferd Artax - man sieht das alles noch sehr genau vor sich - einst im Kampf gegen das Nichts in den "Sümpfen der Traurigkeit" versank. Von alldem hat man bereits Anfang der 80er-Jahre in Michael Endes Roman gelesen. Mit Tränen in den Augen. Ein paar Jahre später hat man es sich dann auf der Leinwand angeschaut, in einem dieser Lichtspieltheater, die es damals noch in fast jedem Dorf gab. Doch die Verfilmung war kitschig und parfümiert. Deutlich weniger geistreich als das Buch. Einige Namen aus dem Abspann hat man sich dennoch gemerkt: Bernd Eichinger (Produzent), Wolfgang Petersen (Regisseur), Klaus Doldinger (Musik) und Noah Hathaway (Atréju vom "Volk der Grünhäute").

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Um diese Verfilmung also geht es in der Urteilsverkündung im Saal E06 des Münchner Oberlandesgerichts. Und, wie die Pressesprecherin später erläutert: Das OLG bestätigt einen bereits vorausgegangenen Richterspruch, wonach "der Kläger und sein Vater keine Rechte mit Blick auf das literarische Werk ,Die unendliche Geschichte' und/oder seine zukünftige Verfilmung innehaben, insbesondere keine Merchandisingrechte mit Blick auf zukünftig zu erstellende Filmproduktionen". Komisches Deutsch.

Wer bekommt Geld bei einer neuen Verfilmung?

Aber eine hochkomplizierte Angelegenheit! Der Sohn eines Anwaltes, der sich einst um die Rechte an der Verfilmung gekümmert hatte, hatte gegen den Nachlassverwalter Michael Endes geklagt, der die Erben vertritt. Vor einigen Jahren zum Beispiel hatte Leonardo DiCaprio sein Interesse an einer Neuverfilmung bekundet.

Die Frage, natürlich: Wer bekäme dann die Kohle? Antwort: die Erben. Wer jedenfalls einst als Freund Atréjus mit Buch und Film aufgewachsen ist, der glaubt angesichts der Sprache in Saal E06, noch an Ort und Stelle in den Sümpfen der Traurigkeit zu versinken. Was wurde seinen Helden aus der Kindheit nicht schon alles angetan! Mal wurde der Pumuckl vors Landgericht gezerrt, dann landeten Pippi Langstrumpf und Asterix vor dem BGH. Mal wurden die Rechte an Wickie, Heidi, Biene Maja und Pan Tau verscherbelt, dann verlor das Dschungelbuch durch ein Remake jede Spur von Leichtigkeit. Versuch's mal mit Betrüblichkeit. Gilt natürlich auch für alle Neuverfilmungen von Michael Endes " Jim Knopf" oder "Momo". Das Nichts, es bedroht nicht nur Phantásien.

Als "platt und banal" hatte Michael Ende (1929 - 1995) die für den US-Markt vorgesehene "Micky-Maus-Version" seiner unendlichen Geschichte bezeichnet. Als "menschliche Gemeinheit" und "künstlerischen Verrat" eines Produzenten, der ihm einmal im Garten an den Baum gepinkelt habe. Half aber nichts. Vertrag war Vertrag. Und da entscheiden am Ende die Gerichte.

© SZ vom 22.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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