Süddeutsche Zeitung

U-Bahn-Unglück in Mexiko:Wut über Pfusch und Vernachlässigung der Metro

Mindestens 23 Menschen sterben bei einem U-Bahn-Unglück in Mexiko-Stadt. Einst war die Metro der Stolz der Millionenstadt, mittlerweile häufen sich die Unfälle.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Nach dem U-Bahn-Unglück in Mexiko-Stadt ist die Trauer groß, ebenso aber auch die Wut. Um kurz nach 22 Uhr (Ortszeit) hatten am Montagabend Teile einer Brücke im Süden der Stadt nachgegeben. Trümmer stürzten auf eine viel befahrene Straße, dazu noch Waggons eines Zuges, der gerade über die Überführung fuhr. Mindestens 23 Menschen sind bei dem Unglück ums Leben gekommen, darunter auch Kinder, melden Behörden. Dutzende weitere seien verletzt, einige von ihnen schwer.

Mit Leitern und Kränen versuchten Sanitäter und Feuerwehrleute in der Nacht, die Waggons zu erreichen und Insassen zu befreien. Mindestens ein Auto wurde von den herabgestürzten Brückenteilen verschüttet. Rettungskräfte suchen auch hier nach Überlebenden. Die Bergungsarbeiten mussten am Dienstagmorgen unterbrochen werden; es gab die Gefahr, dass noch mehr Teile der Brücke oder weitere Zugwaggons auf die Straße stürzen.

Noch ist die Ursache des Unglücks nicht geklärt. Die Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt, Claudia Sheinbaum, sagte am Montagabend, ein Brückenträger habe vermutlich nachgegeben, Genaueres müsse aber noch untersucht und Verantwortlichkeiten müssten festgestellt werden. Im Netz machten viele Bewohner der Hauptstadt und des Landes dennoch schon ihrem Ärger Luft, über Missmanagement, Pfusch und Vernachlässigung.

Die U-Bahn von Mexiko-Stadt ist eine der meistgenutzten der Welt. Die Metro verbindet große Teile des Millionenmolochs miteinander, jeden Tag benutzen im Schnitt fast fünf Millionen Fahrgäste die zwölf Linien, in Stoßzeiten sind die Bahnsteige überfüllt, in den Wagen herrscht drängende Enge.

Einst war die Metro Stolz und Symbol des Fortschritts für Mexiko-Stadt, nun aber ist sie vor allem auch ein Quell des Ärgers für die Menschen, die auf die Linien angewiesen sind. Die Infrastruktur hält dem Andrang schon lange nicht mehr stand. Rolltreppen stehen still, in Gängen und Unterführungen brennen Lampen durch, und Züge fallen aus. Immer wieder kommt es zu Unfällen, manche davon in der Vergangenheit schon schwer, mit Dutzenden Verletzten und Toten.

Die Linie 12 wird auch die "Goldene Linie" genannt

Auch im Falle der Linie 12, die stets die nun eingestürzte Brücke überquerte, hatten sich schon lange die Probleme und Beschwerden gehäuft. Eingeweiht erst 2012, gehört die wegen ihrer Farbe auch "Goldene Linie" genannte Strecke eigentlich zu den neuesten Abschnitten der Metro, mit Gleisen, die zum Teil unter der Erde verlaufen, ebenso aber oberirdisch und auch erhöht als Hochbahn.

Schon kurz nach der Einweihung der Linie 12 waren bereits erste Reparaturen nötig, und weitere folgten in den kommenden Jahren. Von Pfusch am Bau war die Rede, von Missmanagement, immer wieder meldeten Anwohner und Fahrgäste Schäden an Teilen der Strecke, Presseberichten zufolge auch an den Pfeilern und Brückenabschnitten, die nun eingestürzt sind. Nach dem Erdbeben, das Mexiko-Stadt im September 2017 erschütterte, gab es bereits Sorgen, dass die Konstruktion einstürzen könnte.

Das Bahnunglück könnte so auch politische Konsequenzen haben: Die Metro-Linie 12 wurde gebaut, als der derzeitige mexikanische Außenminister, Marcelo Ebrard, Bürgermeister der Stadt war. Auf Twitter sprach er von einer schrecklichen Tragödie. "Natürlich müssen die Ursachen untersucht und die Verantwortlichkeiten geklärt werden." Seine spätere Nachfolgerin, Claudia Sheinbaum, sprach von einem bedauerlichen und schweren Unfall. "Wir bedauern, dass es Tote gegeben hat", schrieb auch sie auf Twitter. Beide Politiker gelten als potenzielle Nachfolger von Präsident Andres Manuel López Obrador, wenn dessen Amtszeit 2024 endet.

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