Meteoriteneinschlag:Auf kosmischen Spuren

Meteoriteneinschlag: Deutschlands schwerster Steinmeteorit wurde im baden-württembergischen Blaubeuren gefunden. Die Brocken, die im sächsischen Audenhain vermutet werden, dürften deutlich kleiner sein.

Deutschlands schwerster Steinmeteorit wurde im baden-württembergischen Blaubeuren gefunden. Die Brocken, die im sächsischen Audenhain vermutet werden, dürften deutlich kleiner sein.

(Foto: Felix Kästle/dpa)

Ein 1000-Seelen-Dorf in Sachsen sucht im Auftrag der Wissenschaft nach Resten eines Meteoriten. Im Erfolgsfall winkt Ruhm, vorher aber Ärger mit den Bauern.

Von Iris Mayer

Auf der Suche nach Sensationen hat die Wissenschaft das nordsächsische Audenhain bislang sträflich vernachlässigt. So schaffte es die 1751 errichtete Windmühle am Fuße des Krähenberges bisher nur in die Liste der regionalen Kulturdenkmäler. Auch der von 88 Brücken überspannte Schwarze Graben weckte allenfalls zum jährlichen Heimat- und Brückenfest das Interesse jenseits der Muttergemeinde Mockrehna, 40 Kilometer nordöstlich von Leipzig. Das könnte sich bald ändern. Denn seit der Nacht auf den 9. Februar ist das 1000-Seelen-Dorf Sehnsuchtsort von Meteoritenjägern.

Zwölf Minuten nach Mitternacht trat da ein 16 Kilo schwerer Himmelskörper mit einer Geschwindigkeit von 45 000 Kilometern pro Stunde in die Erdatmosphäre ein und erzeugte eine Feuerkugelspur, die ganze 5,3 Sekunden zu sehen war. Man weiß das so genau, weil die vollmondhelle Feuerkugel von Kameras tschechischer Forscher festgehalten wurde. Während der größte Teil verglühte, gingen Meteoritenbruchstücke in einem Streifen von 100 mal 500 Metern in Audenhain nieder, wie Experten vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) errechneten.

Dieter Heinlein vom DLR hofft nun darauf, dass rasch eines der hagelkorngroßen Bruchstücke gefunden wird. Denn je schneller das schwach radioaktiv strahlende Gestein untersucht wird, desto mehr Rückschlüsse könnten die Forscher ziehen. Zwei nach Audenhain entsandte DLR-Kollegen kamen mit leeren Händen zurück, deswegen sucht Heinlein nun Hilfe aus der Bevölkerung und gibt Tipps, wie man frische Meteoriten erkennt: mattschwarze Schmelzkruste außen, an Bruchstellen oft hellgrau und wegen der hohen Dichte schwerer als gewöhnliche Steine derselben Größe.

Der Experte rät allerdings davon ab, den Stein mit bloßen Händen anzufassen, nicht weil das gesundheitsschädlich wäre, sondern um den Meteoriten nicht zu kontaminieren. Auch starke Magneten sollten einem möglichen Brocken aus dem All nicht zu nahe kommen, dies verfälsche spätere Messungen. Und wie wahrscheinlich ist es, tatsächlich einen Meteoriten in Audenhain zu finden? "Das wäre schon ein großes Glück", sagt Heinlein, "aber warum soll man denn nicht auch mal Glück haben?"

"Das halbe Dorf tritt jetzt beim Bauern die Saat kaputt."

So wie ein Hausbesitzer in Blaubeuren am Fuße der Schwäbischen Alb, der 1989 in seinem Garten einen 30 Kilo schweren Brocken entdeckte, jahrzehntelang bestaunte und sich Anfang 2020 an das DLR wandte. Die wissenschaftliche Sensation: Bei dem Zufallsfund handelt es sich um den größten je in Deutschland entdeckten Steinmeteoriten.

Nur 52 Meteoriten sind laut DLR überhaupt in Deutschland geborgen worden, stets benannt nach dem Fundort. "Audenhain könnte so in die Meteoriten-Königsklasse mit Neuschwanstein aufsteigen", prophezeit Heinlein. Hinter dem bayerischen Märchenschloss gingen im April 2002 mehrere Meteoriten nieder, das schwerste Fundstück wog sechs Kilo. Lothar Haupt, Ortsvorsteher von Audenhain und Inhaber eines Elektrobetriebs, euphorisiert diese Aussicht allenfalls spärlich. "Da draußen ist das halbe Dorf unterwegs, die treten schon die Saat beim Bauern kaputt", berichtet er am Telefon. Er selbst hat nicht vor, durch eigene Suche zum Aufstieg in die Champions League des kosmischen Gesteins beizutragen. Ihn plagen andere Sorgen: "Ne neue Straße baut uns deswegen hier keiner, wenn wir so ein Ding finden."

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