Messerangriff in HamburgTatverdächtige vor Haftrichter – Unterbringung in Klinik angeordnet

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Vor dem Hamburger Hauptbahnhof war ein Großaufgebot von Polizei und Rettungskräften im Einsatz.
Vor dem Hamburger Hauptbahnhof war ein Großaufgebot von Polizei und Rettungskräften im Einsatz. (Foto: Steven Hutchings/dpa)

Im Hamburger Hauptbahnhof hat eine Frau mit einem Messer mehrere Menschen teils lebensgefährlich verletzt. Als mutmaßliche Täterin nimmt die Polizei eine 39-jährige Deutsche fest, sie wird am Samstag einem Haftrichter vorgeführt.

Von Ulrike Nimz, Hamburg

Bei einem Messerangriff sind am frühen Freitagabend im Hamburger Hauptbahnhof 18 Menschen verletzt worden. Nach Angaben der Polizei sind die Opfer zwischen 19 und 85 Jahre alt, ihr Zustand ist mittlerweile stabil. Drei Frauen im Alter von 24, 52 und 85 Jahren sowie ein 24 Jahre alter Mann waren mit lebensgefährlichen Verletzungen in Krankenhäuser gekommen. Sieben weitere Menschen wurden schwer verletzt, sieben Menschen erlitten leichte Verletzungen. Wie Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher am Samstagnachmittag auf der Plattform X schrieb, konnten einige der Verletzten das Krankenhaus wieder verlassen, eine genaue Zahl nannte er nicht.

Als Tatverdächtige wurde eine 39-jährige Frau festgenommen. Die Angreiferin sei Deutsche, derzeit wohnungslos, und soll allein gehandelt haben. Hinweise auf einen politischen Hintergrund der Tat sehen die Ermittler bislang nicht. „Vielmehr bestehen inzwischen sehr konkrete Hinweise auf eine psychische Erkrankung der Tatverdächtigen“, teilte die Polizei mit. Dem NDR zufolge war die Frau erst einen Tag vor dem Messerangriff am Hauptbahnhof aus der geschlossenen Geestland-Klinik bei Bremerhaven entlassen worden. Derzeitigen Erkenntnissen zufolge stand die Frau nicht unter dem Einfluss berauschender Mittel wie Alkohol oder Drogen, ist durch teils aggressives Verhalten aber auch in anderen Bundesländern polizeibekannt. Die Frau wurde am Samstag einem Haftrichter vorgeführt, der ordnete ihre Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik an. Dort hat sie die Tat eingeräumt, wie es in einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft heißt. Der Unterbringungsbefehl lautet der Polizei zufolge „auf versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in 15 Fällen.“ Der genaue Tatablauf befinde sich weiter in der Rekonstruktion.

Nach Angaben der Polizei stach die Frau auf dem Bahnsteig von Gleis 13/14 wahllos um sich. „Durch das sehr schnelle Eingreifen zweier Passanten, die sich auf dem Bahnsteig befanden, (...) konnte der Angriff unterbrochen werden“, teilte die Polizei am Samstag mit. Dabei soll es sich um einen Tschetschenen und einen 19-jährigen Syrer handeln, der seit 2022 in Deutschland lebt, das berichtet der Spiegel. Einsatzkräfte einer sogenannten „Quattrostreife“ hätten die Frau dann festnehmen können. Dabei handelt es sich um ein Vierer-Team aus Bundes- und Landespolizei sowie den Sicherheitskräften von Hochbahn und Deutscher Bahn, die in Hamburg patrouillieren, um das Sicherheitsgefühl der Reisenden zu stärken.

Plattform X

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Der Hamburger Hauptbahnhof ist nach dem Gare du Nord in Paris der am meisten besuchte Bahnhof Europas. Im freitäglichen Feierabendverkehr herrscht dort regelmäßig so dichtes Gedränge, dass Sicherheitspersonal den Zugang zu den Gleisen regulieren muss. Die Tat geschah an dem Teil der Gleise, der außerhalb der Bahnhofshalle liegt. „Man muss unterstellen, dass viele zunächst gar nicht mitbekommen haben, was passiert ist“, so Polizeisprecher Florian Abbenseth.

Eigentlich ist der Hauptbahnhof Waffenverbotszone

Der Hauptbahnhof in Hamburg macht seit den Neunzigern Negativschlagzeilen. Diebstähle, gewalttätige Auseinandersetzungen – viel hat man versucht, um die Kriminalität in den Griff zu bekommen: Videoüberwachung, Alkoholverbot, jüngst ist auch eine Waffenverbotszone eingerichtet worden.

Auf den betroffenen Gleisen wurden rot-weiße Absperrbänder angebracht. Auf den Nachbargleisen ruhte der Verkehr. Die Straßen Steintorbrücke und Steintordamm, die an der Südseite des Bahnhofs oberhalb der Gleise queren, wurden für den Straßenverkehr gesperrt. Am Abend nahmen Beamte der Spurensicherung zunächst ihre Arbeit auf, später wurde der gesamte Bahnhof wieder für den Zugverkehr freigegeben. In einem ICE, der stundenlang am Gleis wartete, wurden Augenzeugen vernommen, in Evakuierungsbussen wurden Menschen seelsorgerisch betreut. Die Polizei teilte zudem mit, ein Hinweisportal freigeschaltet zu haben. Dort könnten Bilder oder Videos sowie Hinweise übermittelt werden.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sprach am Abend mit Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) über die Tat. Tschentscher habe Merz in dem Telefonat über die Versorgung der Verletzten und die Situation vor Ort informiert, teilte ein Sprecher der Bundesregierung mit. Merz habe die Unterstützung der Bundesregierung angeboten. Auf der Plattform X schrieb Merz: „Die Nachrichten aus Hamburg sind bestürzend. Meine Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen. Mein Dank geht an alle Einsatzkräfte vor Ort für ihre schnelle Hilfe.“ Auch die Deutsche Bahn äußerte ihre „tiefe Bestürzung“ über den Messerangriff. „Unsere Gedanken und unser Mitgefühl sind bei den Verletzten“, heißt es in einer Mitteilung. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt verurteilte den Angriff als „hinterhältig und feige“.

In den vergangenen Monaten war es an verschiedenen Orten in Deutschland zu Gewalttaten mit Messern gekommen, was eine politische Debatte über Ursachen und Maßnahmen ausgelöst hat. Rund um den Hamburger Hauptbahnhof besteht seit dem 1. Oktober 2023 ein Waffenverbot. Mitte Dezember 2024 hatte der Senat außerdem ein Messerverbot im öffentlichen Nahverkehr erlassen.

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