Süddeutsche Zeitung

Meppen:Der Katastrophenfall

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Da der Moorbrand sich auch nach zwei Wochen noch weiter ausweitet und der Wetterbericht Sturm ankündigt, macht sich der Landkreis Emsland auf das Schlimmste gefasst.

Von Thomas Hahn und Max Sprick, Meppen

Auf manchen Luftaufnahmen sieht das brennende Moor von Meppen aus wie eine verwunschene Landschaft unter Nebelschwaden. Aber das täuscht. Der weiße Rauch ist eine Belastung für das Umland der Wehrtechnischen Dienststelle 91 (WTD 91), deren Munitionstests am 3. September dazu führten, dass der Torf hier Feuer fing. Besserung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil, der Wetterbericht verheißt böigen Wind, sogar Sturm, der Landkreis Emsland macht sich auf das Schlimmste gefasst. Am Freitag rief Landrat Reinhard Winter "in enger fachlicher Abstimmung mit dem niedersächsischen Innenministerium" den Katastrophenfall aus. Dieses schwelende Feuer, das verschiedene Feuerwehren seit zwei Wochen vergeblich zu löschen versuchen, ist also doch nicht so eine gewöhnliche Nebenwirkung von Waffenübungen, wie die Bundeswehr es zunächst darstellte.

Den Katastrophenfall auszurufen ist zunächst ein formaler Akt. Er schafft die Voraussetzung für schnelle Hilfe, wenn die Katastrophe tatsächlich eintritt. Dementsprechend gelassen und von einer norddeutschen Gemütsruhe zeugend fielen die Kommentare zu den neuesten Entwicklungen aus. "Wir wappnen uns für alle Eventualitäten und kommen hiermit vor die Lage", sagte Landrat Winter. Immerhin, nach den aktuellen Prognosen ist es denkbar, dass die Gemeinden Groß und Klein Stavern evakuiert werden müssen. Die 1000 Einwohner sind gewarnt. Rauch und Funkenschlag könnten stärker werden. Ein Bürgertelefon ist eingerichtet. Einwohnerinnen und Einwohner sollen vorsorglich Ausweise und nötige Medikamente zusammenpacken.

Helmut Rawe, Staverns Bürgermeister, lässt sich vorerst nicht aus der Ruhe bringen. "Dass der Katastrophenfall ausgerufen wurde, ist eine reine Vorsichtsmaßnahme vom Landkreis", sagt Rawe. Er geht nicht davon aus, dass das Feuer tatsächlich seine Gemeinde bedroht - "aber ganz sicher kann man nie sein." Die Stimmung im Ort? Grundsätzlich gut, sagt Rawe: "Die Leute hier haben schon einige Brände erlebt." Das Leben gehe normal weiter. Allerdings will der Bürgermeister damit nicht gesagt haben, dass die Lage gewöhnlich sei. "Einen Brand diesen Ausmaßes hatten wir hier auch noch nicht."

Die Bundeswehr will erst das Feuer löschen, ehe sie klärt, warum im WTD 91 trotz Trockenheit Raketen getestet wurden, ohne dass eine funktionierende Löschraupe bereit stand. Am Freitag teilte sie mit, mittlerweile seien 1300 Einsatzkräfte mit den Löscharbeiten beschäftigt. Aus Husum seien erste Kräfte eines Spezialpionierregiments eingetroffen. Sie sollen zusätzliche Möglichkeiten erkunden, um das 800 Hektar große Brandgebiet zu fluten. Bei einem Moorbrand schwelt das Feuer unter der Grasnarbe im Torf. Brandherde sind nicht zu sehen, deshalb muss viel Wasser in den Boden, damit es den Brand flächendeckend eindämmt. Zahlreiche Messpunkte sind eingerichtet, um zu sehen, wie sehr der Qualm die Luft belastet. Die Bundeswehr sagt, es bestehe keine Gesundheitsgefahr.

Im NDR sagen diverse Lungenärzte das Gegenteil. Vor allem für Menschen mit Lungenerkrankungen sei der Rauch schädlich. Und zwar nicht nur in der Nachbarschaft. Je nach Wind weht es den Rauch weit ins Land hinein. Am Mittwochnachmittag erreichten die Polizei-Leitstelle West ständig Anrufe aus den Kreisen Pinneberg, Segeberg, Steinburg und Dithmarschen.

Menschen berichteten von beißendem Brandgeruch und Asche auf den Feldern, 200 Kilometer vom brennenden Boden entfernt.

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Quelle:
SZ vom 22.09.2018
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