Süddeutsche Zeitung

Melania Trump:Buchstabensuppe

"I really don't care. Do u?" Wie die First Lady mit einem auf einer 39-Dollar-Jacke aufgedruckten Spruch die Welt in Verwirrung stürzte. Die Geschichte einer nicht versteckten weil gut sichtbaren Botschaft.

Natürlich war das eine Botschaft, was sonst? Es stand ja dick und weiß und in Großbuchstaben und unübersehbar hinten auf der Jacke, die Melania Trump am Donnerstag trug. "I REALLY DON'T CARE. DO U?" Übersetzt heißt das soviel wie: "Mir ist es völlig egal. Und dir?" Wenn das keine klare Aussage ist, was dann?

Andererseits - wenn alles so klar wäre, würde jetzt nicht tout Washington rätseln: Wollte die First Lady damit etwas sagen? Was wollte sie sagen? Und wem? Der Reihe nach. Am Donnerstag flog Melania Trump, die Ehefrau des US-Präsidenten, nach Texas. Sie besuchte dort zwei Einrichtungen, in denen Kinder illegaler Einwanderer untergebracht sind. Die Eltern dieser Kinder sitzen anderswo im Gefängnis, weil Melanias Mann Donald Trump eine "Null-Toleranz"-Politik gegen Migranten angeordnet hat. Die First Lady plauderte ein bisschen mit den Kleinen, sie sprach ihnen Trost und Mut zu. Sie drängte darauf, dass die Familien, die der Staat zerrissen hat, so schnell wie möglich wieder vereint werden müssten. Und insgesamt sah das alles so aus, als wolle sie beweisen, dass sie ein Herz hat. Dass sie es falsch findet, Kinder von ihren Eltern zu trennen. Dass sie nichts von der Politik ihres Mannes hält und deswegen selbst etwas Mitleid und Interesse am Schicksal der Kinder zeigt, wenn sie diese Politik schon nicht ändern kann und Mitleid oder Interesse von Donald Trump nicht zu erwarten sind. Aber dann war da diese Jacke. Eine Art übergroßer, taillierter Militärparka, olivgrün, mit Kapuze. Und auf dem Rücken stand in weißer Grafitto-Schrift die Botschaft: "I REALLY DON'T CARE. DO U?" Seitdem: Große Verwirrung, viele Spekulationen. Was ist Melania Trump völlig egal? Etwa die Migrantenkinder? Spielt sie ihr Mitleid nur, war ihr Besuch in Texas ein fieser PR-Trick - die Frau mildert die Härten der Politik ihres Mannes ab? Es gibt Leute, die glauben das. Aber wäre es wirklich so clever von Melania, so zu tun, als gingen ihr die weinenden Kinder in den Auffanglagern nahe - und dann aller Welt mit ihrer Jacke zuzurufen, dass ihr das alles eigentlich total wurscht ist? Überzeugend ist diese Deutung nicht, zumal Melania Trump vor ein paar Tagen schon öffentlich mitgeteilt hat, dass sie die Trennung von Familien an der Grenze ablehnt. Mehr Illoyalität gegen dem gewählten Präsidenten, als ein Besuch bei den Opfern von dessen Politik, kann sich eine First Lady eigentlich kaum leisten.

Ebenso wenig überzeugt freilich die offizielle Erklärung. "Es ist nur eine Jacke", teilte ihre Sprecherin mit. "Es gibt keine versteckte Botschaft."

Das stimmte insofern, als die Botschaft wirklich nicht versteckt war. Aber "nur eine Jacke"? Melania Trump trägt nie "nur" irgendwas. Die Jacke, das fanden findige Journalisten gleich raus, stammte aus einer älteren Kollektion der spanischen Modekette Zara und hat einmal 39 Dollar gekostet. Normalerweise trägt die First Lady Sachen, bei denen am Preis noch zwei Nullen dranhängen.

So wie vor einem Jahr, als sie in himmelhohen Manolo-Blahnik-Stilettos Hurrikan-Opfer besuchte. Damals fielen die Medien mit Häme über sie her. Was also wollte sie dieses Mal mit einem Kleidungsstück sagen, das für ihre Verhältnisse ein billiger Lappen ist? Die New York Times hatte am Freitag eine plausible Erklärung: "Vielleicht, nur vielleicht, war es ja eine Botschaft an alle unter uns, die gerne nach Botschaften in ihren Kleidern suchen."

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Quelle:
SZ vom 23.06.2018
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