Meinungsfreiheit in Österreich:"Der Inhalt scheppert immer"

Großer Österreichischer Staatspreis 2016 Wien Nationalbibliothek 29 06 2016 Josef WINKLER

Josef Winkler

(Foto: imago/SKATA)

Weil er vorgeschlagen hatte, die Urne von Jörg Haider in eine Gefängniszelle zu stecken, wollte die FPÖ Josef Winkler vor Gericht bringen. Lächerlich, findet der Schriftsteller. Die Klage wurde abgewiesen.

Interview von Magdalena Pulz

Die Urne von Jörg Haider soll ins Gefängnis - das hatte der renommierte österreichische Schriftsteller Josef Winkler bei einer Festrede im April 2018 in Klagenfurt gefordert. Daraufhin hatte die FPÖ Kärnten den Literaten wegen Verhetzung angezeigt - am Dienstag hat die Staatsanwaltschaft die Klage abgewiesen.

SZ: Herr Winkler, Sie scheinen eine ganz schöne Wut auf Jörg Haider zu haben...

Josef Winkler: Wie Peter Handke es vor zwei Jahrzehnten gesagt hat: Er ist ein interessanter Politiker, aber er steht auf der falschen Seite. Er hat immer mit nationalsozialistischen Geschwätz und Gedankengut geliebäugelt. Jörg Haider hat nicht geschafft, sich ideologisch von seinen Nazi-Eltern, von Mami und Papi, zu lösen. Das war letztendlich auch sein Untergang. Bis in den Tod hinein.

Es gibt viele Österreicher, die ihm noch nachtrauern.

In den nächsten Jahren wird sich da aber nicht mehr viel tun. In wiederum zehn Jahren wird sich kaum noch jemand für Jörg Haider interessieren.

Die FPÖ hat sich wohl besonders an diesem Teil Ihrer Rede gestört: "Dann sage ich, dass ich eigentlich dafür bin, die Urne des verstorbenen Landeshauptmannes Jörg Haider in eine bewachte Gefängniszelle zu verlegen".

Selbstverständlich war das eine ironische Passage. Die FPÖ hat das für bare Münze genommen. So, als ob man in einem Rechtsstaat wie Österreich einfach eine Urne in eine Gefängniszelle und davor einen Soldaten stellen könnte. Das ist absurd, lächerlich.

Während der Rede haben FPÖ-Abgeordnete den Saal verlassen. Ein Erfolg?

Das habe ich gar nicht mitgekriegt, ich musste mich ja auf meinen Text konzentrieren. Es ist mir völlig gleichgültig, wer sitzen bleibt und wer geht.

Und wenn die Leute den Witz nicht verstehen?

Es muss nicht jeder verstehen. Ich schreibe seit fast vierzig Jahren Bücher. Ich möchte zu meiner Bestform auflaufen. Dann erst bin ich zufrieden. Ob das dann nur ein bestimmter Teil von Lesern versteht, ist für mich völlig uninteressant. Ich schreibe nicht für die Massen. Das ekelt mich an.

Haben Sie sich Sorgen gemacht, dass die FPÖ-Klage durchgehen könnte?

So etwas ist immer lästig, man weiß ja nicht, was letzten Endes herauskommt. Aber ich konnte mir schwer vorstellen, dass ich tatsächlich angeklagt werde.

Die FPÖ hat Sie als einen "modernen Hassprediger" bezeichnet.

Ein Hassprediger hetzt Menschen auf. Das passiert überall auf der Welt, x-mal, dass jemand zu Mord und Totschlag aufruft. Ich bin sicher keiner.

Aber ein guter Hassprediger muss doch auch ein Gefühl für Sprache haben, oder?

Selbstverständlich kann man mit Sprache und Literatur viel. Oscar Wilde hat das mal so gesagt: "Was man sagt, ist egal - Hauptsache man formuliert es gut".

Also, wenn man was schön genug sagt, kann man alles verkaufen?

Sie können es sich so vorstellen: Die Form ist eine Katze, die schön und geschmeidig geht. Der Inhalt ist eine leere Blechdose, die man an den Schwanz der Katze anhängt. Die Katze kann noch so schön laufen, der Inhalt, die Blechdose, scheppert immer.

Gibt es einen Politiker, den Sie für einen tollen Redner halten?

Immer interessant und witzig waren die beiden österreichischen Bundeskanzler Bruno Kreisky und Franz Vranitzky. Und auch wenn ich den jetzigen Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser höre, bin ich erstaunt, was der so aus dem Stegreif zu dem einen oder anderen Thema sagt. Wenn man die Ohren spitzt, hat der Redner schon gewonnen.

Nach der ganzen Aufmerksamkeit, die Sie allein durch diese Rede bekommen haben, können Sie sich vorstellen, jetzt doch noch Redenschreiber zu werden?

Nein, das interessiert mich überhaupt nicht. Wenn jemand anderes vorträgt, gerade ein Politiker, müsste ich mich ja an den anpassen. Das wäre mein Ende. Außerdem: Ich habe innerhalb von zehn Jahren genau zwei kleine Reden geschrieben. Die haben den ganzen deutschen Sprachraum erreicht. Insgesamt bin ich damit zufrieden.

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