Süddeutsche Zeitung

Medizinskandal:Prozess gegen Apotheker: Verteidiger bezeichnen Ermittlungsergebnisse als "unbrauchbar"

Lesezeit: 1 min

Im Prozess um angeblich gestreckte Krebsmedikamente haben die Verteidiger des angeklagten Bottroper Apothekers die Staatsanwaltschaft scharf angegriffen. Die Ermittlungsergebnisse seien "unbrauchbar", argumentierten die Anwälte. Der 47-jährige Apotheker selbst will sich nicht zu den Vorwürfen äußern.

Die Anklage wirft Peter S. vor, zwischen 2012 und 2016 fast 62 000 Mal Krebsmedikamente verdünnt zu haben. Mindestens 1000 Krebskranke sollen betroffen sein, den gesetzlichen Krankenkassen soll ein Schaden von 56 Millionen Euro entstanden sein. Dem Angeklagten sei es darum gegangen, "sich eine erhebliche Einnahmequelle zu verschaffen". In der Anklageschrift sind 35 Wirkstoffe aufgeführt, von denen der Apotheker höchstens 70 Prozent der eigentlich benötigten Menge eingekauft haben soll.

Die Verteidiger von Peter S. argumentieren hingegen, der Vorwurf, dass Medikamente systematisch unterdosiert gewesen seien, könne nicht stimmen. Studien zeigten, dass von dem Apotheker belieferte Ärzte bei ihren Patienten "eine deutlich höhere mittlere Überlebensrate" erzielt hätten.

Sie werfen den Ermittlern vor, die Einkaufsquoten des Angeklagten nicht genau genug untersucht zu haben. So sei zum Beispiel der Bestand an Medikamenten nicht berücksichtigt worden. Auch die sichergestellten Proben, in denen der Anklage zufolge wenig oder keine Wirkstoffe nachgewiesen wurden, hätten keine Aussagekraft, da die Analyseverfahren noch nicht ausgereift seien.

"Wir haben Verständnis für die Sorgen und Ängste der Patienten", sagte Verteidiger Peter Strüwe in dem Prozess vor dem Essener Landgericht. Man müsse sich jedoch von der reflexartigen Bewertung freimachen, dass alles, was bis jetzt bekannt ist, schon stimmen werde.

Die Anklage lautet auf Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz, Betrug und versuchte Körperverletzung. Dem Apotheker drohen bis zu zehn Jahre Haft sowie ein Berufsverbot. Betroffen sind den Ermittlungen zufolge Patienten von 37 Ärzten, Praxen und Kliniken in sechs Bundesländern, die meisten in Nordrhein-Westfalen. Lieferungen gingen aber auch an jeweils eine Klinik oder Praxis in Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Sachsen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3749032
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/dpa
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.