Medizin:Unbekannter Erreger

Experten rätseln über eine tödliche Krankheit im Nordwesten von Myanmar. Vor allem Kinder sind betroffen.

Von Arne Perras, Singapur

Hilferufe verhallen im Nichts. Seit Wochen fühlen sich die betroffenen Gemeinden im Nordwesten Myanmars allein gelassen, niemanden scheint es zu interessieren, dass dort Dutzende Kinder an einer bislang nicht diagnostizierten Krankheit sterben. Immerhin blickt nun die Zentralregierung in Naypyidaw auf den tödlichen Schrecken, der nach Berichten aus den betroffenen Kommunen bis zum Wochenende 38 Menschen getötet hat. 34 waren unter fünfzehn Jahre alt. Kleinkindern scheint der offenbar ansteckende Erreger besonders gefährlich zu werden.

Es beginnt meist mit Husten, Flecken auf der Haut und Fieber, in der finalen Phase spucken die Patienten auch Blut. Noch immer gibt es über den Erreger nur Mutmaßungen. Symptome weisen auf "eine Form von Masern" hin, wie lokale Behördenvertreter erklärten, aber eine gesicherte Diagnose fehlt. Die Verwaltung gab inzwischen bekannt, dass sie Blutproben und Urin ins ferne Rangun geschickt hat. "Es kann zehn bis 15 Tage dauern, bis wir wissen, um welche Art von Krankheit es sich handelt", zitiert das Online-Magazin Irrawaddy den Vizeverwaltungschef der Region, Thein Zaw. Ein Abgeordneter der Gegend sprach von mindestens 200 Kranken, deren Zahl weiter steige. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) reagierte auf eine Anfrage der Süddeutschen Zeitung zögerlich und erklärte: "Zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben wir leider keine weiteren Informationen über diesen Ausbruch."

Die Region, die im Nordwesten Myanmars an Indien grenzt und von der Volksgruppe der Naga bevölkert wird, leidet seit Jahrzehnten unter einer völlig unterentwickelten Gesundheitsversorgung. Politisch ist das Grenzgebiet instabil. Der Mangel an Ärzten und Kliniken ist Erbe der Militärdiktatur, die den sozialen Sektor sehr vernachlässigte und lieber in Kasernen als in Kliniken investierte. Die noch junge demokratische Regierung in Naypyidaw, geführt von der Partei der Freiheitskämpferin Aung San Suu Kyi, will sich stärker auf den Ausbau des Gesundheitswesens und auf Bildung konzentrieren, ist aber mit der Vielzahl der Probleme im Land und anhaltenden politischen Spannungen überfordert. So bekommen die kranken Kinder in den Dörfern der Naga oft nichts als Regenwasser eingeflößt, weil weit und breit keinerlei Medizin aufzutreiben ist.

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