Süddeutsche Zeitung

Medizin:Britisches Gericht verbietet weitere Behandlung eines todkranken Babys

  • Die Eltern eines schwerkranken Kindes in Großbritannien dürfen ihren Sohn nicht für eine Therapie in die USA bringen.
  • Ein Gericht ordnete einen Behandlungsstopp an. Die Ärzte sollen das Baby sterben lassen.
  • Bei seiner Entscheidung argumentierte der Richter mit dem Wohl des Kindes.

Dürfen Ärzte die Lebenserhaltung für ein todkrankes Baby abstellen und es so gegen den Willen seiner Eltern sterben lassen? Mit dieser äußerst schwierigen Frage musste sich ein britisches Gericht befassen - und entschied nun im Sinne der Ärzte. Die Mediziner dürfen den Säugling sterben lassen. Der Richter ordnete einen Behandlungsstopp an.

In dem Fall ging es um einen Jungen namens Charlie, der vergangenen August mit einem Gendefekt geboren wurde, an dem einem Bericht des britischen Guardian zufolge nur 15 weitere Kinder auf der ganzen Welt leiden. Demnach funktionieren bei den erkrankten Babys die Mitochondrien, die Kraftwerke der Zellen, nicht richtig. Charlie liegt regungslos in einem Bett, muss künstlich beatmet und ernährt werden. Die meisten Babys mit seiner Krankheit, dem mitochondrialen DNA-Depletionssyndrom, werden ohne lebenserhaltende Maßnahmen nicht älter als ein paar Monate.

Mehrere Ärzte bescheinigten Charlie einen irreparablen Hirnschaden. Die Mediziner im Londoner Great-Ormond-Street-Hospital schlugen Charlies Eltern deshalb vor, ihren Sohn auf eine Palliativstation verlegen zu lassen. Doch Chris Gard und Connie Yates lehnten ab. Sie hatten von einer Therapiemöglichkeit in den USA gehört und starteten eine Spendenaktion. Umgerechnet knapp 1,4 Millionen Euro kamen auf der Plattform gofundme.com für die Behandlung zusammen. Doch wie es scheint, waren die Bemühungen der Eltern umsonst.

Es klingt paradox, aber bei seiner Entscheidung, den Eltern jeden weiteren Versuch zur Rettung ihres Sohnes zu verbieten, argumentierte der Richter mit dem Wohl und der Würde des Kindes. Die Therapie in den USA sei "unbekanntes Gebiet", die Chancen auf eine Besserung des Zustandes von Charlie zu ungewiss. Die behandelnden Ärzte hatten außerdem gewarnt, das Kind könne durch die Behandlung Schmerzen erleiden.

Er bezweifle gar nicht, dass die Medizin von dem Experiment profitieren könne, sagte der Richter, "aber das Experiment kann nicht im besten Interesse Charlies sein, wenn es keine Aussicht darauf gibt, dass er davon auch profitiert." Damit gewichtete das Gericht die Würde des Kindes und die Empfehlung der Londoner Ärzte stärker als den Wunsch der Eltern, ihren Sohn am Leben zu halten.

Der Richter lobte die Eltern für ihre heldenhaftes Bemühungen im Namen ihres Sohnes und "die absolute Hingabe zu ihrem wundervollen Sohn vom Tag an, als er geboren wurde." Der BBC zufolge wünschte er ihnen, ihren Sohn friedlich gehen lassen und eines Tages akzeptieren zu können, dass dies das Beste für ihn gewesen sei.

"Wir wollen einfach nur unsere Chance"

Die Eltern waren am Boden zerstört nach der Verkündung des Urteils. In einem früheren Interview mit der BBC erklärten sie, sie hätten sich gar nicht unbedingt eine Heilung, aber zumindest eine Besserung des Zustand ihres Kindes erhofft. "Wir wollen einfach nur unsere Chance", sagte Charlies Mutter.

Außerdem habe das Paar mit der Behandlung auch anderen Kindern helfen wollen. "Ich wünsche es keiner anderen Mutter und ihrem Kind, so etwas durchzumachen", sagte Connie Yates.

Über seine Anwälte ließ das Paar seinen Unterstützern seinen Dank aussprechen. Das Wichtigste für die Eltern sei nun, schnellstmöglich wieder zu Charlie zurückzukehren und Zeit mit ihm zu verbringen.

Chris Gard und Connie Yates haben die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben. Sie kündigten an, gegen das Urteil vorgehen zu wollen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3461695
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/dpa/jael/lkr/mane
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.