Mauritius:30 Quadratkilometer Ölteppich

Am Wochenende ist das Frachtschiff, das vor Mauritius auf Grund gelaufen ist, zerborsten. Das ausgelaufene Öl zerstört eine Natur von magischer Schönheit.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Bis spät in die Nacht haben sie geöffnet, die Friseursalons, die kostenlose Haarschnitte anbieten. Kunden mit besonders langen Haaren werden bevorzugt bedient. Alle paar Stunden werden die Haare in den Salons zusammengekehrt, in Plastiksäcken gesammelt und an die Küste von Mauritius gebracht, wo sie in Öl getunkt werden und sich vollsaugen wie ein Schwamm. Die Haare sind derzeit mit das Beste, was die Bewohner der Insel der Ölpest entgegenzusetzen haben, die sich vor ihrer Küste ausbreitet.

Am 25. Juli war die MV Wakashio auf dem Weg von China nach Brasilien auf Grund gelaufen, auf einem malerischen Riff, dessen türkisblaue Farbe sich zwölf Tage später schwarz verfärbte. Seitdem sind etwa 1000 Tonnen Öl ausgelaufen, etwa ein Viertel der Menge, die an Bord war, fast 3000 Tonnen waren in den Tagen zuvor abgepumpt worden. Am Wochenende zerbrach das Schiff, das nach Angaben des japanischen Eigentümers noch etwa 90 Tonnen Treibstoff an Bord hatte.

Schweröl ist ein billiges Rückstandsprodukt aus der Erdölverarbeitung, mit Diesel vermischt wird es besonders bei großen Schiffen von Reedereien gerne genutzt als billiger Treibstoff, der aber viele Emissionen erzeugt und bei normalen Temperaturen zäh wie Teer ist.

Gegen diese Masse kämpfen nun auf Mauritius Tausende Freiwillige an, sie sammeln die Haare in Friseursalons, bauen mit den Blättern der Zuckerrohrpflanze behelfsmäßige Ölbarrieren und versuchen, das Öl am Strand mit Plastikflaschen einzufangen. Die internationale Hilfe läuft nur sehr schleppend an, Indien und Japan sagten am Wochenende weitere Unterstützung zu, mehr als zehn Tage nachdem das erste Öl ausgetreten war.

Mauritius: Helfer sammeln am Strand ausgelaufenes Öl ein.

Helfer sammeln am Strand ausgelaufenes Öl ein.

(Foto: FABIEN DUBESSAY/AFP)

Auf der Insel selbst wächst die Wut auf die Behörden, denen vorgeworfen wird, zu spät auf das Unglück reagiert zu haben. "Die Regierung hat dreizehn Tage nichts getan, um das Schiff wegzubekommen, und hat lieber mit dem Eigentümer verhandelt, wer die Kosten trägt", sagte die Biologin Deeya Jahajeeah der Publikation The Continent. Die Regierung hat bisher nicht offiziell bestätigt, ob das Schiff per Funk gewarnt wurde, dass es sich zu sehr der Küste nähert.

Mauritius liegt an einer der meistbefahrenen Schifffahrtsstraßen der Welt, allein im Juli sollen mehr als 2000 große Frachtschiffe und Tanker an der Insel vorbeigefahren sein. Trotzdem verfügt das Land über keinerlei nennenswerte Vorkehrungen und Einsatzgeräte, um auf einen Unfall reagieren zu können.

Die MV Wakashio zerbrach nun fast genau an der Stelle, an der 1902 das britische Segelschiff Dalblair kenterte, die Wrackteile konnte man bei günstigem Wetter oberhalb des Meeresspiegels sehen. Die Dalblair verfügte nur über rudimentäre technische Navigationsmittel. Warum die 2007 gebaute MV Wakashio mit all ihren modernen technischen Geräten auf ein Riff zusteuerte, ohne dass es jemand merkte, ist bisher ein Rätsel. Wollte die Besatzung nahe am Handynetz der Insel vorbeifahren?

Ökosystem für immer zerstört?

Der indische Kapitän des unter panamaischer Flagge fahrenden Schiffes wird von der Polizei verhört. Nagashiki Shipping, der japanische Eigentümer, sagte am Sonntag, dass etwa die Hälfte der ausgelaufenen 1000 Tonnen Öl und anderer Treibstoffe wieder aufgefangen werden konnten.

Satellitenbilder zeigen allerdings einen Ölteppich von etwa 30 Quadratkilometern. Er erstreckt sich über eine Region von magischer Schönheit, in der Clownfische durch Korallenriffe schwimmen, Mangrovenwälder entlang der Küste wachsen, Riesenschildkröten über den Sandstrand kriechen und die gefährdete Rosentaube ihre Heimat hat.

"Das Leck ereignete sich in einer der sensibelsten Regionen von Mauritius", sagt der Ozeanograf Vassen Kauppaymuthoo. "Es wird Jahrzehnte brauchen, um sich von dem Schaden zu erholen." Teile des Ökosystems seien womöglich für immer zerstört.

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