Süddeutsche Zeitung

Massenpanik in Kambodscha:Drama beim Wasserfest

Erdrückt oder ertrunken: In Kambodscha sterben etwa 350 Menschen bei einer Massenpanik auf einer überfüllten Brücke. Mehr als 500 Personen werden verletzt. Eine dreitägige buddhistische Feier endet in einer nationalen Tragödie.

Bei einer Massenpanik während eines Festes in Kambodscha sind am Montag nach Regierungsangaben mindestens 349 Menschen getötet und über 500 weitere verletzt worden. Die Opfer seien zumeist junge Leute, hieß es. Die Panik brach am Ende der Feiern zum traditionellen Wasserfest in der Hauptstadt Phnom Penh auf einer völlig überfüllten Brücke aus. Die Zahl der Opfer werde möglicherweise noch steigen, sagte Kambodschas Ministerpräsident Hun Sen dem Fernsehsender Bayon TV. Der Gouverneur des Bezirks Daun Penh, Sok Sembath, sprach von einer Tragödie nie dagewesenen Ausmaßes während des Festes.

Zum dreitägigen Wasserfest waren in den vergangenen Jahren bis zu drei Millionen Besucher in die Zwei-Millionen-Einwohner-Stadt gekommen. Wegen der Feierlichkeiten waren auch in den vergangenen Tagen wieder Menschenmassen zu Konzerten, Feuerwerken und Bootsrennen in die Stadt geströmt. Das traditionelle Fest ist in Kambodschas Hauptstadt der Höhepunkt des Jahres. Zu dem Unglück kam es am Montagabend nach einem Konzert, als sich offenbar zu viele Menschen auf einer Brücke drängten, die über den Mekong-Fluss zur Diamantinsel führt. Die Ursache für die Massenpanik war zunächst unklar.

Ein Augenzeuge berichtete dem britischen Fernsehsender BBC, dass die Panik ausgebrochen sei, nachdem einige Personen unter dem Druck der Menschenmenge in Ohnmacht gefallen waren. Ein weiterer Augenzeuge berichtete, dass mehrere Menschen von herabfallenden Elektroleitungen einen Stromschlag erlitten haben; Regierungsvertreter dementierten das jedoch. Die meisten der Opfer wurden erdrückt, andere wollten sich vor dem Gedränge retten, sprangen von der Brücke ins Wasser und ertranken in dem Fluss.

Freiwillige Helfer und Sicherheitskräfte trugen die Leichen zusammen und reihten sie auf der Straße auf. Gegen Mitternacht war die Brücke geräumt. Einsatzkräfte suchten aber weiter nach möglichen Opfern im Fluss. 62 der Toten seien inzwischen identifiziert worden. Die Verletzten wurden in fünf Krankenhäuser der Stadt gebracht. Regierungschef Hun Sen kündigte in der Nacht zum Dienstag an, ein Untersuchungsausschuss solle die Ursachen der Katastrophe klären. Künftig werde der 22. November als Trauertag begangen, sagte Hun Sen.

Die Regierung kündigte unterdessen Entschädigungszahlungen an: Angehörige von Todesopfern sollen umgerechnet 1250 Dollar erhalten, Verletzte 250 Dollar. Außerdem würden die Behörden für den Rücktransport der Toten in ihre Heimatorte sorgen. Viele Kambodschaner lehnten es aus traditionellen Gründen ab, Leichen zu transportieren, sagte Informationsminister Khieu Kanharith. Deshalb würden Militärlaster eingesetzt.

Das dreitägige Fest, das von den Einheimischen Bon Om Tuk genannt wird, hatte am Wochenende begonnen. Die Tradition des Bootsrennens - des Höhepunkts der Feierlichkeiten - geht zurück auf eine Seeschlacht zwischen den Khmer und dem Volk der Cham, die im Jahr 1170 auf dem Tonle Sap, einem Binnensee, stattfand. Das Wasserfest hat auch mit einem anderen Ereignis zu tun, das weltweit einzigartig ist: Der Tonle Sap ändert zweimal im Jahr seine Fließrichtung. Wenn im Frühjahr die Schneeschmelze im Hochland von Tibet beginnt, führt der Mekong so viel Wasser, das er sich vor Phnom Penh in zwei Ströme teilt. Der eine Teil fließt weiter ins Südchinesische Meer, der andere Teil drückt landeinwärts in den Tonle Sap, der auf das Zehnfache seiner Größe anschwillt. Im Herbst fließt das aufgestaute Wasser dann wieder ab - was zum Vollmond im November gefeiert wird. Beim Wasserfest befiehlt der König dem Tonle Sap, wieder in die andere Richtung zu fließen.

Am Montagabend sollten die Feierlichkeiten beendet sein.

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SZ vom 23.11.2010/jab
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