Süddeutsche Zeitung

"Maskenmann"-Prozess:Missbrauchsopfer verhinderten weitere Taten

Martin N. hat gestanden, drei Jungen ermordet und etliche missbraucht zu haben. Doch im Prozess gegen den Pädophilen, der lange als "Maskenmann" gesucht wurde, zeigt sich: Manche weitere Tat vereitelten potentielle Opfer selbst.

Im Prozess gegen den geständigen Kindermörder Martin N. haben weitere Missbrauchsopfer ausgesagt. Ein heute 28-jähriger Zeuge sagte am Montag vor dem Landgericht Stade, er sei als Neunjähriger auf einer Klassenfahrt von einem Unbekannten aufgefordert worden, sein Bett zu verlassen. Er habe sich jedoch geweigert. Der Angeklagte ließ über seine Verteidiger mitteilen, er könne sich an die Vorfälle zum Teil nicht erinnern.

Zwei Mal habe nachts an seinem Bett in einem Schullandheim ein maskierter Mann gestanden, erinnerte sich der 28-Jährige. Dieser habe einen silbernen Gegenstand, möglicherweise ein Messer, bei sich getragen. Der Mann habe ihn am Rücken berührt und ihn aufgefordert mitzukommen. "Ich komme nicht mit", habe er damals geantwortet. Daraufhin habe der Fremde den Schlafraum verlassen.

Vor Gericht zeichnet sich ein Muster vielfachen Missbrauchs und zahlreicher gescheiterter Versuche ab: Ein 26-Jähriger, dessen Aussage bei der Polizei vor Gericht verlesen wurde, berichtete, wie er 1995 in einem Schullandheim von einem Unbekannten missbraucht wurde. Ein Maskierter sei an sein Bett gekommen. Als er zur Toilette habe gehen müssen, habe ihn der Mann begleitet. Er habe dem Unbekannten gesagt, er fühle sich schlecht. Daraufhin sei der Mann wieder gegangen.

Ein heute 27 Jahre alter Zeuge trug vor, er sei Anfang der neunziger Jahre von einem Unbekannten abgefangen worden und sexuell belästigt worden. Er habe ihm zu verstehen gegeben, dass er dies nicht wolle. Kurze Zeit danach sei er freigelassen worden. Erst später habe er erfahren, dass neben dem Bett seines Bruders mehrmals ein fremder Mann gestanden habe.

Psychatrisches Gutachten erwartet

Auch ein wichtiger Zeuge aus Hamburg sagte aus. Martin N. soll den jungen Mann zwischen 2002 und 2004 missbraucht haben. Nach Angaben einer Gerichtssprecherin schloss die Kammer die Öffentlichkeit bei der Befragung des Missbrauchsopfers aus. Der Mann hatte sich erst nach der Anklageerhebung an die Ermittler gewandt. Deshalb taucht der Fall in den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft nicht auf. Er könnte aber eine wichtige Rolle bei der Frage nach einer Sicherungsverwahrung des Angeklagten spielen. Denn der Fall könnte belegen, dass der 40-Jährige auch heute noch gefährlich ist.

Der kommende Prozesstag könnte weitere Erkenntnisse dazu bringen: Ein Psychiater wird dann möglicherweise seine Einschätzung abgeben. Zunächst aber sollen der Leiter der Polizei-Sonderkommission und ein Spezialist, der damals das Täterprofil des "Maskenmannes" erstellt hatte, aussagen. Außerdem soll ein Rechtsmediziner aus Hamburg sich dazu äußern, wie lange der Täter die Leiche des letzten Mordopfers, des neunjährigen Dennis K., gelagert hatte, bevor er sie im Wald ablegte.

Der 40-jährige Martin N. ist angeklagt, ingesamt drei Jungen im Alter von acht bis 13 Jahren ermordet und 20 Missbrauchstaten verübt zu haben. Vor allem zwischen 1992 und 2001 soll er nachts maskiert in Schullandheime, Zeltlager und Wohnhäuser eingedrungen sein und sich an Kindern vergangen haben.

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