MeinungMarx Vorsitzender der Bischofskonferenz:Wahl mit Bedenken

Ein Kommentar von Matthias Drobinski, Münster

Lesezeit: 2 Min.

Ein politischer Kopf, selbstbewusst, Rom eng verbunden: Es gab gute Gründe, Reinhard Marx zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz zu machen. Aber auch einige dafür, dass die Wahl in Münster keine einfache war.

Sie haben also doch den Favoriten gewählt, die katholischen Bischöfe in Deutschland - den, der es wollte: den Münchner Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx. Es gibt gute Gründe dafür. Marx, mit 60 Jahren im besten Bischofsalter, ist einer der wichtigsten Mitarbeiter von Papst Franziskus. Er ist ein politischer Kopf, der die Anliegen seiner Kirche öffentlich vertreten kann, und das wird wichtig werden in einem Land, in dem christliche und erst recht kirchliche Sichtweisen nicht mehr selbstverständlich sind und immer wieder neu begründet werden müssen.

Kurz vor seiner Wahl, am Morgen im Dom zu Münster, hat er den Mitbrüdern sein Programm nahegebracht: Geht hinaus, wie einst der Prophet Jonas in die Stadt Ninive, habt Mut, euch fremden Welten zu stellen, wo keiner auf euch wartet. Und predigt den Menschen keine Vorschriften, sondern sprecht von der Liebe und Barmherzigkeit Gottes. Das klingt ein bisschen so, wie Papst Franziskus in Rom predigt. Und das haben die Bischöfe in Deutschland dringend nötig: dass ihnen einer Mut macht und Selbstvertrauen gibt und auch der Bischofskonferenz eine Richtung.

Trotzdem gab es in Münster keine ganz einfache Wahl. Marx gilt zwar als theologisch eher konservativ, den Konservativen unter den Hirten aber ist er doch zu drängend und stürmisch. Sie versuchten einen Gegenkandidaten aufzubauen, doch in der ersten Versammlung ohne ihren obersten Protagonisten, dem gerade erst in den Ruhestand verabschiedeten Kölner Kardinal Joachim Meisner gelang das nicht. Eine Reihe der eher liberalen Bischöfe hätte lieber den Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode als Vorsitzenden gesehen, der als zuhörender und bescheidener Mann gilt und von dem der Satz überliefert ist, ein Hirte müsse auch einmal hinter der Herde gehen können und den Schafen zutrauen, dass sie ihren Weg finden. Dessen Wahl wiederum konnten die Konservativen verhindern.

Vielen ist Marx schon jetzt zu mächtig

So blieb am Ende der Münchner Erzbischof, trotz mancher Bedenken: Marx hat sich bis zur Grenze belastet mit der Leitung des großen Erzbistums mit seinen vielen offenen Baustellen, der Freisinger Bischofskonferenz, seinem Engagement auf Europaebene und vor allem im Kardinalsrat und dem Wirtschaftsrat in Rom. Manchem Bischof ist er zu vorwärtsdrängend, zu sehr Politiker und zu wenig frommer Seelsorger - und vor allem schon jetzt zu mächtig.

Tatsächlich hat Marx in der Vergangenheit durchaus für die Reform der Kirche gestanden - eine Reform allerdings, die diese Kirche vor allem effizienter und moderner in den Strukturen macht, mit einer durchaus straffen Leitung und Personalführung. Die Frage, ob sich die katholische Kirche grundsätzlich ändern muss, hat er dagegen oft umschifft - oder gleich verneint.

Doch es wird nicht reichen, die katholische Kirche aus der Vertrauenskrise zu führen, wenn ein Bischofskonferenz-Vorsitzender seine Kirche auf Effizienz trimmt, professionell mit den Medien umgeht und politisch gut vernetzt ist. Das Amt hat auch mit Demut und Bescheidenheit zu tun, damit, Anwalt der existenziellen Fragen des Lebens zu sein. Darauf wird Marx achten müssen.

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