Stilkritik:Söders Staatsstümpfe

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Bundeskanzler Sebastian Kurz besucht Markus Söder in der Staatskanzlei in München Der Österreichische Bundeskanzler Seb

Statement an Stümpfen: Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (rechts) mit dem gastgebenden bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder im Hofgarten vor der Staatskanzlei in München.

(Foto: Sammy Minkoff via www.imago-images.de/imago images/Sammy Minkoff)

Beim Besuch des österreichischen Kanzlers zeigt Bayerns Ministerpräsident, wie rustikal-ökologisch repräsentiert werden kann. Dabei pflegen Politiker seit jeher eine symbolische Beziehung zu Bäumen.

Von Oliver Das Gupta

Bevor die große Kältewelle über den weiß-blauen Freistaat und die rot-weiß-rote Republik rollte, gab es mitten in München ein paar sonnige bayerisch-österreichische Minuten. Markus Söder und Sebastian Kurz nahmen am Dienstag im lichten Hofgarten vor der Staatskanzlei Aufstellung vor der Presse und frönten der nachbarschaftlichen Gemeinsamkeiten. Inhaltlich kredenzten sie Corona und Corona-Kontext.

Wirklich in Erinnerung aber bleibt anderes: Holz. Genauer: zwei Baumstümpfe, hinter denen die beiden hochgewachsenen Politiker sich zum Reden aufgestellt hatten. Tanne massiv, wuchtig und roh mit Rinde drumherum. Ein Anblick, bei dem man unweigerlich das aufgeregte Knattern der Motorsäge im Ohr hat, bevor sie die ersten Fasern zerfetzt. Ein besonderes Accessoire der Macht, das für so vieles steht: hart und massentauglich, biologisch abbaubar und irgendwo gefährlich. Kann doch ein kleiner Schiefer höllisch schmerzen und gleich mehrere Tage versauen.

Söders Leute haben die Stempen bewusst in Szene gesetzt, sie werden sogar ungefragt vorgestellt. 100 Jahre sei der Baum alt gewesen, gefällt nach dem natürlichen Exitus, alles sei "arten- und pflanzenschutzgerecht" - das war dem Regierungssprecher wichtig zu beteuern. Überhaupt sei Holz "viel besser als Plastiktische, die Sie gerade haben", ätschibätschte der Ministerpräsident in Richtung Journalisten.

Für den Chef der CSU war das eine prima Gelegenheit, allen zu zeigen, wie man rustikal-ökologisch repräsentiert. Bayern ist mal wieder Avantgarde, diese Botschaft geht vom Totholz aus. Aber es gibt noch eine weitere Dimension. Wie viele Köpfe in der Politik kennt man denn, die hinter diesen stattlichen Staatsstümpfen eine gute Figur machen würden? Armin Laschet? Annalena Baerbock? Wladimir Putin? Na? Eben.

Dabei haben ja Politiker durchaus einen Hang zum Holz - aber eher zum lebenden: Jungbäume werden vom Landrat bis zur Premierministerin gerne und allerorten gepflanzt, Ideologie ist da wumpe. Nordkoreas Diktator Kim Jong-un buddelte mit dem südkoreanischen Staatschef Moon Jae-in entsprechend. Und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron setzte mit dem damaligen Amtskollegen Donald Trump eine eigens mitgebrachte Eiche in den Garten des Weißen Hauses in Washington, was allerdings nicht gut endete: Das Exemplar musste wieder aus der Erde, Quarantäne eben, und verschied dort. Trump wirkt in dieser Hinsicht ohnehin etwas desinformiert. Er behauptete, in Österreich lebten die Menschen in Waldstädten und fabulierte von "explodierenden Bäumen".

Womit wir wieder bei Kurz wären. Der wandert bekanntlich gerne, vor allem wenn Kameras dabei sind, sein persönliches Verhältnis zum Holz ist bislang unbekannt. Söder dagegen verbindet viel mit Bäumen, nicht erst, seitdem die Grünen erstarken und er auch Bienen besonders lieb hat. Dort im Hofgarten in München, wo er mit Kurz an den Staatsstümpfen stand, ließ er sich vor ein paar Jahren fotografieren, wie er einen Stamm anfasste. Er umarmte nicht, er legte nur seine Hände auf die scheckige Rinde einer der Platanen, die nun stumme Zeuginnen der Pressekonferenz waren. Prüfend wirkte er, von Romantik keine Spur. Vielleicht überlegte er schon damals, was für stattliche Stempen aus den Platanen geschnitten werden könnten.

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