Süddeutsche Zeitung

Markus Söder:Herzig

Der CSU-Generalsekretär hat Markus Söder den Titel "Kandidat der Herzen" verliehen. Das muss nicht unbedingt ein Kompliment sein. Eine Stilkritik.

Von Martin Zips

Der fränkische Regionalpolitiker Markus Söder wurde dieser Tage da und dort als "Kandidat der Herzen" bezeichnet. Zum Beispiel von seinem CSU-Generalsekretär Markus Blume. Aber, richtig, Herzensangelegenheiten müssen keineswegs eindeutig sein, das weiß man ja. Sollte Söder tatsächlich der Titel "Kanzlerkandidat der Herzen" zustehen, so wäre die nächste Frage: Warum ausgerechnet ihm und nicht etwa Armin Laschet, Johann Wadephul oder Annette Widmann-Mauz? In diesem Zusammenhang sei an die Visionen der französischen Ordensfrau Alacoque erinnert, welche zum Empfang allerheiligster Botschaften direkt aus dem göttlichen Herzen fähig war. Eine der von dort an sie und ihre Freunde adressierten Mitteilungen lautete: "Ich werde Ihre Unternehmungen überreichlich segnen."

Das gibt Hoffnung, gerade für diejenigen, die dieser Tage noch nicht als "Sowieso der Herzen" bezeichnet werden, aber bereits sehr fleißig sind. Allerdings scheint das Herz als Sitz der Seele, des Gefühls, des Mutes (bei Homer), der Vernunft und des Bewusstseins (im Buddhismus) ein recht launiges Organ zu sein, das mal so schlägt und dann so. Die Spieler des Fußballvereins Schalke 04 etwa, einst als "Meister der Herzen" gefeiert, wurden jetzt, als ihr Abstieg endgültig besiegelt war, von Fans in Gelsenkirchen mit Eiern beworfen. So ist das Herz eben, erst steht's in Flammen und dann zerbricht es.

Und überhaupt, was will man eigentlich mit so einem modrigen Herz-Mystizismus in Zeiten von Klappenimplantat und modernster Gefäßchirurgie? Viel sinnvoller wäre es doch, Armin Laschet als Stent einer etwas in die Jahre gekommenen deutschen Volkspartei zu bezeichnen - und Markus Söder als ihren Defibrillator.

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