Süddeutsche Zeitung

Mannheim:Regieren from Dusk till Dawn

  • Der Mannheimer Student Hendrik Meier ist erster Nachtbürgermeister Deutschlands.
  • Vom 1. August an soll er in Mannheim 50 Stunden im Monat bei Konflikten im Nachtleben, etwa zwischen Partygästen und ruhebedürftigen Anwohnern, vermitteln.
  • Ursprünglich hatten sich 40 Interessenten beworben.

Von Oliver Klasen

Ein Nachtbürgermeister also. Diese Stelle hat die Stadt Mannheim jetzt geschaffen -und noch bevor derjenige auch nur einen einzige Tag gearbeitet hat, darf man feststellen: Er ist der bei weitem bekannteste Angestellte der 300 000 Einwohner-Stadt in Baden-Württemberg. Fast alle größeren Medien brachten schon im vorhinein Artikel - und das mehrstufige Auswahlverfahren, an dessen Ende der Student Hendrik Meier als Sieger hervorging, könnte auch das Team von Heidi Klum bei "Germany's Next Topmodel" sich ausgedacht haben.

Nicht erschrecken, jetzt kommen ein bisschen viel Zahlen und Fakten auf einmal. Also: 40 Bewerbungen waren ursprünglich eingegangen - alle mit ernsthaftem Hintergrund, wie Matthias Rauch, der Leiter der kulturellen Stadtentwicklung, versichert. Aus diesen 40 Kandidaten filterte ein Kuratorium in einer ersten Auswahlrunde 17 Kandidaten heraus. Von den zehn Kandidaten schließlich, die sich an diesem Donnerstag zur Endauswahl stellten, bestimmte das Kuratorium sieben und Facebook-Nutzer drei. Dass Meier jetzt erwählt wurde, verdankt er dem Votum einer achtköpfigen Fachjury und der Gunst des Publikums, das mitentscheiden durfte.

"Mir fehlen die Worte", sagte der 27-Jährige nach seiner Wahl dem Mannheimer Morgen zufolge. "Ich werde alles tun, dass wir eine coole Sache daraus machen".

Aber was genau macht ein Nachtbürgermeister überhaupt? Amtiert er zu später Stunde, wenn die übrigen Amtsstuben geschlossen haben? Ist das also ein Service am gestressten Großstadtbürger, der es bis 15:30 Uhr nicht ins Einwohnermeldeamt schafft?

Nein. Der neue Nachtbürgermeister - in der Stellenausschreibung etwas klangvoller "Night Mayor" genannt - soll sich um das Nachtleben von Mannheim - im lokalen Dialekt etwas klangvoller "Monnem" genannt - kümmern. Er soll eine vermittelnde Funktion einnehmen zwischen Barbesitzern, Clubbetreibern und Konzertveranstaltern auf der einen Seite und Anwohnern auf der anderen Seite.

Denn das ist ja ein Problem in wachsenden und immer dichter besiedelten Innenstädten: Anwohner, die Nachtruhe wünschen, teilen sich denselben Lebensraum mit den Gästen von Bars, Cafés und Clubs, die nicht um 22 Uhr nach Hause gehen, sondern am liebsten die ganze Nacht durchfeiern wollen. In München zum Beispiel ist das ein riesiges Problem. Die Stadt hat am Gärtnerplatz, einem der wichtigsten Treffpunkte des Partyvolks, eine Weile lang sogenannte Silencer eingesetzt, die die Feiernden zur Ruhe anhalten sollten. Auch die Türsteher achten akribisch darauf, dass niemand vor den Bars allzu sehr herumlärmt. Denn sonst kann es schnell vorbei sein mit der Konzession.

Auch der Mannheimer Nachtbürgermeister soll sich um derartige Konflikte kümmern. Außerdem soll er die Betreiber der einzelnen Locations vernetzen und ihnen eine gemeinsame Stimme geben - gegenüber anderen Behörden, gegenüber der Bevölkerung. Dazu passen die Attribute, die in der Stellenausschreibung genannt waren: "hervorragender Netzwerker", "Moderations- und Kommunikationsfähigkeiten".

In mehreren Städte gibt es bereits Nachtbürgermeister

Die Idee ist aus anderen Städten übernommen. Den ersten Nachtübermeister gab es vor sechs Jahren in Amsterdam. In London, Zürich und New York übernahmen sie das Konzept später und auch Berlin hat seit dem vergangenen Jahr einen städtischen "Beauftragten für Clubkultur", wie es dort heißt.

Besonders hoch vergütet, so berichtet es der Mannheimer Morgen, wird die neue Stelle allerdings nicht. Die Stadtverwaltung geht davon aus, dass die Aufgabe in 50 Stunden pro Monat zu bewältigen ist und will den neuen Nachtbürgermeister als Honorarkraft anstellen. Nur 1190 Euro brutto soll es geben.

Von Gehalt her kann Meier nicht mit Ariel Palitz mithalten, der New Yorker Nachtbürgermeisterin, die die New York Times vor einigen Monaten porträtiert hat. Sie bekommt ein jährliches Grundgehalt von 130 000 Dollar. Aber Mannheim ist ja auch nicht New York.

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