Zum Tod von Manfred Bruns:Mit tapferem Herz und scharfem Verstand für die Rechte Homosexueller

Zum Tod von Manfred Bruns: Manfred Bruns, ehemaliger Bundesanwalt und Kämpfer für die Rechte Homosexueller, ist tot.

Manfred Bruns, ehemaliger Bundesanwalt und Kämpfer für die Rechte Homosexueller, ist tot.

(Foto: privat)

Manfred Bruns war Bundesanwalt, als er sich Anfang der Achtzigerjahre als schwul outete. Von da an kämpfte er unermüdlich für die Rechte von Schwulen und Lesben. Nun ist Bruns im Alter von 85 Jahren gestorben.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Es ist gar nicht so lange her, da sah man den alten Herrn mit der zarten, schon etwas gebeugten Gestalt noch auf dem Fahrrad durch die Straßen Karlsruhes fahren. Es war ein auffälliges Rad mit einem hohen Lenker, ein wenig extravagant, aber es erlaubte dem Radler, auch im fortgeschrittenen Alter würdevoll im Sattel zu sitzen. Das passte zu Manfred Bruns, dass er sich diese kleine persönliche Auffälligkeit leistete; schließlich hatte er lange genug verborgen, wer er eigentlich war.

Das erste Leben des 1934 in Linz am Rhein geborenen Bruns war, wie er es später nannte, ein Doppelleben, durchaus typisch für Homosexuelle in den in dieser Hinsicht dunklen Jahrzehnten der frühen Bundesrepublik. 1961 heiratete er seine Frau Helga; drei Kinder sollten aus der Ehe hervorgehen. Er habe damals die Erwartung gehabt, seine Gefühle zu Männern würden dann schon weggehen, bekannte er 2017. Weil ihm diese Neigung damals selbst nicht geheuer war: "Man konnte als junger Mann Homosexualität nicht benennen." 1963 begann der junge Jurist bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Der hoffnungsvolle Start in ein voraussichtlich erfolgreiches Berufsleben, so sah es damals aus.

Erfolgreich sollte es werden, nur eben ganz anders. Als er sich Anfang der Achtzigerjahre zu seiner Homosexualität bekannte, traf er zwar auf eine verständnisvolle Ehefrau, mit der er auch danach freundschaftlich verbunden blieb. In der Bundesanwaltschaft aber, damals ein im Kampf gegen RAF-Terror und Ostspionage zusammengeschweißter Männerklub, traf ihn die Reaktion der Schwulenfeinde. Generalbundesanwalt Kurt Rebmann zog ihn als "Sicherheitsrisiko" vom Staatsschutz ab, das Justizministerium erwog ein Disziplinarverfahren. Eine harte Zeit für Bruns, der bis 1994 in der Behörde blieb. Zugleich aber war es eine Befreiung, die Energien freisetzte. Denn er war ein versierter Jurist - und setzte seine Fähigkeiten fortan für die Schwulen- und Lesbenbewegung ein.

Er kämpfte für die Abschaffung des furchtbaren Schwulen-Paragrafen 175

So steht das zweite Leben des Manfred Bruns für eine gesellschaftspolitische Zeitenwende, deren Dynamik auch ihn selbst überraschte. Zu Beginn seines Engagements galt es noch, die gröbsten Ungerechtigkeiten aus der Welt zu schaffen. Er kämpfte für die Rehabilitierung verfolgter Schwuler und half, die Abschaffung des furchtbaren Schwulen-Paragrafen 175 durchzusetzen, der sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte und in Restbeständen bis 1994 überdauerte. Aber schon bald weitete sich der Fokus. 1989 hatte Dänemark ein Lebenspartnerschaftsgesetz erlassen; das sollte auch in Deutschland gelingen.

Der Rest ist, wie man so sagt, Geschichte. 2001 regelte Rot-Grün die eingetragene Lebenspartnerschaft, 2002 gab das Bundesverfassungsgericht sein Plazet, und in den Jahren danach beförderte das Karlsruher Gericht Schritt um Schritt deren Angleichung an die Ehe, bis hin zur Liberalisierung des Adoptionsrechts. Und immer war es Bruns, der Schriftsätze und Papiere verfasste und auch selbst vor dem Verfassungsgericht auftrat. So ist er ein Beispiel dafür, wie weit es einer bringen kann, der über ein tapferes Herz und einen scharfen Verstand verfügt: Wer mit ihm sprach, der erhielt präzise juristische Auskünfte im leicht rheinischen und fast heiteren Ton - und mit hoher intellektueller Schärfe. Und weil man im Verfassungsgericht intelligente Argumente höher schätzt als laute, ist die These nicht vermessen, dass Bruns seinen Teil an einem Erfolg hatte, der vor zwei Jahren sogar noch die Ehe für alle möglich machte.

In seiner Dankesrede bei einer Preisverleihung 2017 in Köln nannte er sich einen Glückspilz, der alles hat, eine Familie mit Kindern und Enkeln und "einen wunderbaren Mann". Am Dienstag ist Manfred Bruns im Alter von 85 Jahren gestorben.

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