Süddeutsche Zeitung

Fotografie:Erste Geige

Der berühmte Rückenakt von Man Ray bringt es im Auktionshaus Christie's auf 12,4 Millionen Dollar. Noch nie wurde so viel für ein Foto bezahlt.

Von Martin Zips

Entscheidend für den künstlerischen Werdegang des russischen Emigrantenkindes Michael "Manny" Rudnitzky waren vor allem zwei Dinge: Als junger Mann belegte Rudnitzky in den USA Kurse für Aktmalerei. Und zwar, wie er später einmal erklärte, um endlich mal "eine nackte Frau zu sehen". Später, da war Rudnitzky so Mitte 20, kaufte er sich einen Fotoapparat. Auch das war wichtig, denn vor allem mit Fotos wurde er berühmt. Seine in Paris im Jahr 1924 entstandene Aktfotografie "Le Violon d'Ingres" zeigt Rudnitzkys Modell Kiki de Montparnasse (ja, die beiden hatten natürlich was miteinander) und ging gerade bei Christie's für rekordverdächtige 12,4 Millionen Dollar über den Auktionstisch. Die Frau mit dem Geigenkörper darf damit ab sofort als "teuerste Fotografie aller Zeiten" bezeichnet werden, zumindest vorübergehend, bis zur vielleicht nächsten teuersten Fotografie. Rudnitzky hieß als Künstler übrigens: Man Ray. Im Jahr 1976 starb er 86-jährig in Paris.

Könnte gut sein, dass sowohl die Umstände der Entstehung des Aktes wie auch das berühmte Foto selbst heute allerlei Diskussionen, offene Briefe und Turbulenzen in intellektuellen Bratwurstbuden auslösen würden. Eine gewisse Gehässigkeit, wie sie im Jahr 2022 ja nicht nur in sozialen Medien zu beobachten ist, lag indes auch Man Ray nicht fern: Schon im Titel seines Fotos ("Die Violine von Ingres") macht sich der Dadaist über seinen französischen Künstlerkollegen Jean-Auguste-Dominique Ingres lustig. Ingres wurde ein großes Interesse nicht nur fürs Geigenspiel, sondern auch fürs andere Geschlecht nachgesagt. Das kann man zum Beispiel aus Ingres' Gemälde "Das Türkische Bad" herauslesen, auf welches der Turban auf Kikis Kopf anspielt.

Eine seiner Affären: die Frau in Hitlers Badewanne

Doch wie das so ist: Der Trieb wird dem Künstler immer wieder mal zum Verhängnis. Ständig neue Musen und Aktmodelle im Atelier, dazu die Schmach, mit der Kunst nicht genügend Geld zu verdienen - das setzte Man Ray während seiner Paris-Jahre zu. Letztlich war er darauf angewiesen, lästige Modeaufnahmen für Zeitschriften wie Vogue oder Harper's Bazaar zu machen, um irgendwie zu überleben. Das nervte - und die politische Situation in Europa nervte Anfang der 1930er sowieso (auch mit der Fotografin Lee Miller, der Frau, die sich später in Hitlers Badewanne fotografierte, hatte er freilich was).

Und so kehrte der Surrealist in die USA zurück und verdiente sich als Berater in Hollywood sein Geld. Bis er eine neue Muse traf: das 21 Jahre jüngere Model Juliet Browner. Sie heirateten und blieben ihr restliches Leben zusammen. Browner dürfte in den 1960ern dann auch den Verkauf einiger heute weltberühmter Man-Ray-Werke an die Sammlerin Rosalind Gersten Jacobs mit eingefädelt haben. So auch den des berühmten 12,4-Millionen-Dollar-Rücken-Bildes, welches aus Gersten Jacobs' Nachlass stammt. Die Sammlerin übrigens gab sich Zeit ihres Lebens keinem Künstler hin. Auch Akt-Bilder existieren eher nicht von ihr. Sie heiratete - ganz bodenständig - einen Verkaufsmanager. Geldsorgen hatten die beiden nie.

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