Mall in Jerusalem:Sündiges Einkaufsparadies

Ein Einkaufszentrum in Jerusalem galt bis vor Kurzem als Muster für Koexistenz von säkularen und orthodoxen Juden. Doch dann machen die Rabbis Rabatz - wegen Frauenstimmen.

Von Peter Münch, Jerusalem

Auf drei Stockwerken und 22.000 Quadratmetern gibt es alles zu kaufen in der Ramot Mall: Modisches und Praktisches, Bücher und Haushaltsartikel, und wer Hunger hat, der kann auf einen Snack bei "Holy Bagel" einkehren. Man könnte diesen Ort am nordöstlichen Stadtrand von Jerusalem als Einkaufsparadies anpreisen, doch vom Paradies hat bekanntlich jeder seine eigene Vorstellung - und für die frommen Einwohner von Ramot ist die Mall wohl eher ein Sündenpfuhl.

Frauenstimmen sind da zu hören in der Hintergrundmusik, die die Kunden animieren soll, und obendrein gibt die Kleidung mancher Verkäuferinnen zur Klage und wohl auch zu mancher verbotenen Phantasie Anlass. Für 14 führende Rabbiner des Viertels ist das Grund genug gewesen, zum Boykott des Einkaufszentrums aufzurufen.

In Ramot wird so die neueste Runde des Kampfes zwischen der säkularen und der streng religiösen Bevölkerung von Jerusalem ausgetragen. Der 1974 auf erobertem Gebiet gegründete Stadtteil war zunächst fest in der Hand der Säkularen, doch vor allem im letzen Jahrzehnt sind sehr viele sogenannte Haredim, "Gottesfürchtige", zugezogen.

Dann machten die Rabbis Rabatz

Die Orthodoxen machen heute 75 Prozent der etwa 60.000 Einwohner von Ramot aus - und sind somit für die vor zwei Jahren eröffnete Mall eine wichtige Käufergruppe. Von Beginn an war darauf geachtet worden, die fromme Kundschaft nicht zu verschrecken. So gibt es keine Werbeplakate mit Frauenbildnissen und keine Schaufensterpuppen mit Bademoden.

Das Einkaufszentrum galt bis vor Kurzem als Muster für Koexistenz in der chronisch umkämpften Stadt. Doch dann machten die Rabbis Rabatz. In einem offenen Brief, der an allen religiösen Schulen des Viertels verteilt wurde, riefen sie dazu auf, dass "bis auf Weiteres" kein frommer Mensch mehr die Mall betreten soll. Der Ort sei eine "spirituelle Bedrohung für uns und unsere Kinder". Berichtet wird sogar von der Drohung, Kinder von der Schule zu werfen, wenn ihre Eltern im Einkaufszentrum gesichtet würden.

Für die Ladenbesitzer war das ein herber Schlag, und manche klagen bereits lauthals über große Umsatzeinbußen. Doch nun berichtet die Zeitung Maariv von einem Kompromiss, der den Boykott beenden soll. Künftig soll nur noch Instrumentalmusik aus den Lautsprechern plätschern, und eine eigens geschaffene Überwachungsstelle soll dafür sorgen, dass alle Regeln des religiösen Lebensstils eingehalten werden.

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