Malaysia-Airlines-Wrackteil:Die berechtigten Zweifel der Angehörigen

A woman whose relative was aboard Malaysian Airlines flight MH370 holds a placard in Beijing

Eine Frau, die einen Verwandten an Bord von Flug MH370 hatte, demonstriert in Peking vor dem Büro von Malaysia Airlines

(Foto: REUTERS)
  • Stammt das auf La Réunion gefundene Wrackteil tatsächlich von dem seit 17 Monaten vermissten Malaysia-Airlines-Flug MH370?
  • Malaysias Premier Najib Razak hat diese Frage bei seiner Presseerklärung am Mittwochabend mit einem klaren "Ja" beantwortet. Frankreich ist da weniger sicher.
  • Viele Angehörige sind skeptisch - und verzweifeln am malaysischen Krisenmanagement.

Von Felicitas Kock

Willkommener erster Hinweis auf MH370

Auf mehr als ein Jahr Unsicherheit folgten Tage der Hoffnung - und jetzt, so scheint es, Gewissheit: Das auf La Réunion angeschwemmte Flugzeugteil, ein zwei Meter langes, mit Muscheln bedecktes Steuerruder, stammt von der vermissten Malaysia-Airlines-Maschine.

Das zumindest verkündete Malaysias Premierminister Najib Razak am Mittwochabend - und für die meisten Menschen dürfte es wie ein Erfolg geklungen haben. "Wir werden das Flugzeug finden!", heißt es dann am Donnerstagmorgen aus Australien, aus dem Land also, das die Millionen verschlingende Suche nach dem Wrack koordiniert. Er stimmt viele optimistisch, dieser erste Hinweis auf den Verbleib des verschwundenen Flugzeugs, dieser womöglich erste Schritt zur Lösung des größten Rätsels der Luftfahrtgeschichte.

Angehörige: "Malaysia will Fakten schaffen, wo es keine Fakten gibt"

Für die Angehörigen ist die Sicherheit, mit der Premier Razak die ersten Untersuchungsergebnisse zum Wrackteil von La Réunion präsentierte, dagegen ein Affront. "Was dort berichtet wird, passt von hinten bis vorne nicht. Die Regierung in Malaysia will Fakten schaffen, wo es keine Fakten gibt", zitiert die Deutsche Presse Agentur die Chinesin Zhang Meiling. Die 62-Jährige, deren Tochter an Bord des Fluges MH370 war, ist empört. "Mein Kind lebt noch! Mein Kind lebt noch!", schreit sie, als sie mit anderen Angehörigen vor einem Büro von Malaysia Airlines in Peking demonstriert. "Mama wird immer auf dich warten, ich gebe nicht auf", steht auf einem Schild, an dem sich die weinende Frau festhält. "Malaysia verbirgt die Wahrheit", ist auf anderen Transparenten zu lesen.

Etwa ein Dutzend Protestierende haben sich vor dem Büro versammelt. Immerhin, China hat in den vergangenen Monaten schließlich viel daran gesetzt, die Trauernden zum Schweigen zu bringen. 153 der 239 Passagiere an Bord der verschwundenen Boeing stammen aus der Volksrepublik.

Bei vielen Angehörigen bleiben Zweifel - Zweifel, die durch das zweite Statement am Mittwochabend bestärkt wurden. Der französische Oberstaatsanwalt Serge Mackowiak drückte sich deutlich vorsichtiger aus als Razak. Es gebe die "sehr starke Vermutung", dass das Steuerruder zu der vermissten Boeing 777 gehöre, sagte der Mann mit der schwarzen Brille in die Mikrofone. Um endgültige Sicherheit zu bekommen, brauche es aber noch weitere Untersuchungen.

Ein ähnliches Bild ergibt sich an diesem Donnerstag, als der malaysische Verkehrsminister mehreren Nachrichtenagenturen mitteilt, an der Küste von La Réunion seien erneut Flugzeugtrümmer angeschwemmt worden. Die Rede ist von einem Flugzeugfenster und mehreren Aluminiumteile. Die Pariser Staatsanwaltschaft dementiert kurze Zeit später einen solchen Fund.

"Ich bleibe etwas verwirrt zurück und, ganz ehrlich, auch ein bisschen wütend und enttäuscht", zitiert CNN nach der Pressekonferenz am Mittwochabend einen Malaysier, dessen Frau unter den Passagieren war. Er habe keine Fakten gehört und frage sich nun, ob es tatsächlich Sicherheit gebe oder nicht.

China fordert weitere Untersuchungen

Die Skepsis der Angehörigen ist nachvollziehbar. Die Kommunikation nach dem Verschwinden der Maschine war von Anfang an missverständlich, von Seiten der Fluggesellschaft und von Seiten der malaysischen Regierung. Da wurden falsche Vermutungen in die Welt posaunt, Informationen zurückgehalten, Untersuchungsergebnisse zunächst an die Presse und nicht an die Familien der Passagiere gegeben. Die chinesische Regierung hatte sich deshalb mehrfach bei den Kollegen in Malaysia beschwert.

Jetzt forderte die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Hua Chunying, Malaysia zu einer umfassenden Untersuchung des Unglücks auf. Außenminister Wang Yi sagte: "Wir müssen die Gefühle der Angehörigen respektieren und verstehen, welche innere Qual sie in den vergangenen Tagen durchlitten haben. Natürlich müssen die Sucharbeiten fortgesetzt werden. Wir stimmen mit Malaysia überein, dass wir die Wahrheit über den Unfall herausfinden müssen."

Zerrieben im Informations-Wirrwarr

Natürlich ist die Skepsis der Angehörigen auch deshalb so groß, weil endgültige Sicherheit auch das endgültige Ende der Hoffnung bedeuten würde. Manche, wie die Chinesin Zhang Meiling, glauben, dass ihre Familienmitglieder, die an Bord der Maschine waren, noch leben. Sie glauben an eine Flugzeugentführung, an eine Verschwörung, an irgendein Ereignis, an dessen Ende nicht der Tod ihrer Angehörigen steht.

Die Gewissheit würde diese Überlegungen jäh beenden, aber die Menschen könnten beginnen, das Unglück zu verarbeiten. Stattdessen bekommen sie nun unterschiedliche Angaben von allen Seiten. Malaysia präsentiert Ergebnisse, Australien jubelt, Frankreich zögert - und die Angehörigen werden in all ihrem Unglück noch mehr aufgerieben.

Mit Material der dpa.

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