Malaysia Airlines Flug MH370:Ping der guten Hoffnung

Über das Verschwinden des Flugzeuges von Malaysia Airlines ist noch immer so gut wie nichts bekannt. Satellitendaten, sogenannte "Pings", sollen Insidern zufolge eine Langflugtheorie stützen. Was man wirklich über den Fall weiß und in welche Richtungen ermittelt wird.

Ein Ordnungsversuch. Von Felicitas Kock und Jana Stegemann

Ein Flugzeug verschwindet vom Radar und scheint wie vom Erdboden verschluckt. An Bord sind 239 Menschen. Die Angehörigen verzweifeln an der Ungewissheit, der Rest der Welt blickt ratlos auf das Mysterium um die verschollene Malaysia-Airlines-Maschine. Auf der Suche nach Erklärungen wird wild spekuliert, die Grenze zwischen Fakten und Mutmaßungen verschwimmt. Ein Ordnungsversuch.

Am Samstag, 8. März, gegen 0.40 Uhr Ortszeit startet der Malaysia-Airlines-Flug MH370 in Kuala Lumpur. Knapp sechs Stunden soll die Reise nach Peking dauern. Das Wetter ist nach Angaben des meteorologischen Dienstes Accu Weather gut, der Himmel nahezu wolkenlos. Die Maschine, eine Boeing 777 ist zwölf Jahre alt, der Flugzeugtyp gilt als sehr sicher. 2012 hatte der Flieger an einem chinesischen Flughafen einen Zusammenstoß mit einer anderen Maschine, die Spitze einer Tragfläche wurde dabei beschädigt. Der Schaden wurde jedoch repariert, der nächste Sicherheitscheck für die Boeing stand erst im Juni 2014 an.

An Bord befinden sich 239 Menschen: Zwölf Crewmitglieder und 227 Passagiere. Die Reisenden stammen zum Großteil aus China, Taiwan und Malaysia, außerdem aus Indonesien, Australien, Indien, Neuseeland, den USA, Kanada, Russland, der Ukraine, Iran, Frankreich und den Niederlanden. Der 53 Jahre alte Pilot hat mehr als 18000 Flugstunden hinter sich, gilt als erfahrener Flugzeugkapitän. Sein Kopilot ist 27 Jahre alt, über ihn kursieren Bilder im Internet, die ihn mit weiblichen Passagieren im Cockpit zeigen, die Medien hängen ihm deshalb das Bild des wenig auf Sicherheit bedachten Lebemanns an.

Die normale Route des Flugs MH370 geht laut AeroTelegraph zunächst in Richtung Nordosten über Vietnam bis zum südchinesischen Macau, von dort aus Richtung Norden bis nach Peking.

Gegen 1.30 Uhr morgens, kurz vor Eintritt in den vietnamesischen Luftraum, haben malaysische Fluglotsen zum letzten Mal Kontakt zu der Maschine. Sie befindet sich zu diesem Zeitpunkt auf der geplanten Route über dem Meer zwischen Malaysia und Vietnam (Koordinaten: 6° 55' 15.0" N und 103° 34' 43.0" E). Dann verschwindet das Flugzeug plötzlich vom Radar. Der Transponder an Bord, der Funkwellen von einer Bodenstation empfängt und Signale zurücksendet, muss zu diesem Zeitpunkt entweder ausgefallen oder abgeschaltet worden sein. Wie ein Transponder funktioniert, erklärt CNN hier).

Gegen 7.30 Uhr meldet Malaysia Airlines die Boeing als vermisst. Viel zu spät, kritisieren vor allem chinesische Luftfahrtexperten. Internationale Praxis sei es, sofort Informationen zu veröffentlichen, wenn der Kontakt abbreche. Dann beginnt die Suche: Dutzende Schiffe und Flugzeuge werden entsandt; neben Malaysia beteiligen sich China, Vietnam, Thailand, Australien, Singapur, Indonesien, Neuseeland, Japan und die Philippinen. (Eine genaue Aufstellung der Suchmannschaften finden Sie bei der BBC.) Der Suchkorridor wird in den folgenden Tagen immer mehr ausgeweitet. "Wir haben mit einem Schachbrett angefangen und sind jetzt bei einem Fußballfeld", beschreibt der Sprecher der US-Marine, William Marks, die Verschiebung der Größenordnung fünf Tage nach dem Verschwinden.

Solange die Maschine nicht gefunden ist, hoffen die Angehörigen weiter auf ein Wunder. Für sie sind die aufreibende Suche und die immer neuen Meldungen und Dementis über mögliche Ortungen zermürbend. Viele Angehörige der 153 chinesischen Passagiere sind nach Kuala Lumpur geflogen, um näher an der Informationsquelle zu sitzen. Eine 93-köpfige Arbeitsgruppe von Malaysia Airlines ist zudem nach Peking gereist, um sich auch dort um die Familien zu kümmern. Angebote der Fluggesellschaft, die Angehörigen finanziell zu unterstützen, stießen teils auf Misstrauen und wurden abgelehnt.

Fünf Tage nach dem Verschwinden sperrt Malaysia Airlines die Nummer des Linienflugs MH370. Die Verbindung zwischen Kuala Lumpur und Peking trägt in Zukunft die Kennung MH318.

Mehr bestätigte Informationen gibt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht. Was sich dagegen häuft, sind Theorien über die Ursache des Verschwindens und den möglichen Verbleib der Maschine.

Was spekuliert wird

Die Fluggesellschaft, das malaysische Militär, die Behörden der beteiligten Länder, der US-Geheimdienst, die Medien - sie alle liefern immer wieder neue, teils widersprüchliche Informationen. Daraus ergeben sich fast jeden Tag neue Theorien, was mit der verschollenen Boeing passiert sein könnte. Ein Überblick über die wichtigsten Ansätze.

Ansatz 1: Das Flugzeug wurde westlich der Malaiischen Halbinsel geortet

Von Seiten der malaysischen Luftwaffe hieß es bereits mehrmals, etwa eine Stunde nach dem Verschwinden der Boeing sei ein Funksignal über der Straße von Malakka, einer Meerenge westlich der Malaiischen Halbinsel, eingegangen. Zwischendurch wurden die Berichte jedoch immer wieder dementiert. Der Grund: Das Radar des Militärs erkennt ein Flugobjekt lediglich als Punkt auf dem Schirm. Um welches Flugzeug es sich handelt, ist nicht ersichtlich.

Bis zur Straße von Malakka hätte die Maschine von ihrer eigentlichen Flugroute aus hunderte Kilometer unentdeckt durch einen Luftraum mit hohem Verkehrsaufkommen fliegen müssen. Dass es wirklich die Boeing 777 war, die über der Straße von Malakka geortet wurde, konnte noch nicht abschließend geklärt werden.

Die Suche wurde nun auf den Indischen Ozean ausgeweitet. "Normalerweise engen sich Ermittlungen im Lauf der Zeit ein", sagte der malaysische Verkehrsminister Hishammuddin Hussein. "Das sind aber keine normalen Ermittlungen. In diesem Fall zwingen uns neue Informationen, in immer neuen Regionen zu suchen."

CNN hat mehrere Karten zusammengestellt, die die geplante Route, den Suchkorridor und die verschiedenen Theorien abbilden.

Ansatz 2: Die Maschine ist stundenlang weitergeflogen

Im Zusammenhang mit dem ersten Ansatz steht auch der zweite: Das Wall Street Journal berichtet, nach Meinung mehrerer US-Ermittler könne die Maschine nach ihrem Verschwinden vom Radar noch Stunden weitergeflogen sein. US-Luftfahrt- und Sicherheitsexperten hätten Daten ausgewertet, die die Rolls-Royce-Triebwerke der Maschine automatisch gefunkt hätten - und zwar bis vier Stunden nach dem letzten echten Funkkontakt. In dieser Zeit könnte die Maschine noch hunderte Kilometer geflogen sein. Das Wall Street Journal korrigierte den Bericht später: Es habe sich nicht um Daten der Triebwerke, sondern um Satelliten-Daten gehandelt, sogenannte "Pings". Das deute darauf hin, dass die Maschine zu dem Zeitpunkt noch intakt war, heißt es.

Kombiniert mit dem möglichen Auftauchen auf dem Radar über der Straße von Malakka könnten die Satellitendaten darauf schließen lassen, dass die Maschine auf den Indischen Ozean hinausgeflogen ist. "Es gibt eine hohe Wahrscheinlichkeit", dass die Maschine auf dem Boden des indischen Ozeans liege, zitiert CNN einen hochrangigen US-Beamten, ohne ihn beim Namen zu nennen. Die Präsentation von Fakten klingt anders.

Ansatz 3: Das Flugzeug wurde gezielt umgelenkt

Noch weniger als über den Verbleib der Maschine ist über den Grund ihres Verschwindens bekannt. Ein technischer Defekt kann schuld sein, möglicherweise ist das Flugzeug in großer Höhe auseinandergebrochen, dann ist es wahrscheinlich, dass mehrere kleinere Teile über ein großes Gebiet verteilt liegen - was es schwierig macht, sie zu finden.

US-Antiterrorspezialisten überprüfen die Möglichkeit, dass einer der Piloten oder ein anderer Insasse des Flugzeugs die Maschine an einen unbekannten Ort entführt haben könnte. Zuvor seien möglicherweise die Transponder zur automatischen Sendung von Flugdaten abgeschaltet worden, um der Radarüberwachung zu entgehen. Die Ermittler verfolgen die Theorie, dass die Maschine umgeleitet worden sei, "um sie später für einen anderen Zweck zu nutzen". (Einen aktuellen Bericht der Nachrichtenagentur Reuters, der die Entführungs-Hypothese unterstützten könnte, finden sie hier.)

Auf Radarschirmen des Militärs tauchte Informationen der Nachrichtenagentur Reuters zufolge eine Maschine zwischen Luftfahrt-Wegemarken über dem Andamanischen Meer westlich von Malaysia auf, bei der es sich um Flug MH370 handeln soll. Diese Punkte werden von Verkehrsflugzeugen auf dem Weg in den Nahen Osten oder nach Europa genutzt. Das sei ein Hinweis, dass die Boeing 777 bewusst in das Gebiet gesteuert worden sei - entweder von einem ausgebildeten Flugzeugführer oder einem entsprechend programmierten Autopiloten, hieß es. Die Ermittlungen konzentrierten sich nun auf Sabotage oder eine Entführung, sagte ein hochrangiger malaysischer Polizist am Freitagmittag.

Einige Angehörige der vermissten Passagiere sagten laut Medienberichten, sie hätten die Handys ihrer vermissten Verwandten erreicht, es habe dort geklingelt, ehe die Verbindung abbrach. Andere sagen, vermisste Passagiere seien in sozialen Netzwerken online gewesen.

Auch von einem möglichen Terroranschlag war bereits mehrmals die Rede. Zunächst waren zwei Passagiere in Verdacht geraten, die mit gestohlenen Ausweisen unterwegs waren.Dieser Verdacht wurde jedoch schnell ausgeräumt. Interpol wies einen terroristischen Hintergrund danach relativ deutlich zurück, die Behörden der USA und Chinas scheinen sich da weniger sicher zu sein. In China kursieren weiter Gerüchte über einen Anschlag von Terroristen aus den Reihen der muslimischen Minderheit der Uiguren.

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