Mainz (dpa/lrs) - Sie helfen in der Gefängnisküche, geben Bettwäsche aus und produzieren für externe Unternehmen: Arbeitende Gefangene verdienen bundesweit deutlich weniger als den Mindestlohn. In Rheinland-Pfalz bekommen sie je nach Vergütungsstufe zwischen 8,26 und 17,20 Euro netto - für einen ganzen Arbeitstag, wie das Justizministerium in Mainz der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Der Mindestlohn liegt in Deutschland seit Jahresbeginn bei 9,35 Euro brutto - pro Stunde.
Das Justizministerium begründet dies damit, dass das Land und somit die Steuerzahler bei Gefangenen die Kosten für Unterkunft, Essen und medizinische Versorgung übernähmen. Jeder Inhaftierte schlage (Stand 2018) mit durchschnittlich 148,40 Euro zu Buche - pro Tag. Zudem sei die Produktivität der Gefängnisbetriebe im Vergleich zu Unternehmen der freien Wirtschaft „verhältnismäßig gering“.
Die „Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation“ (GGBO) kritisiert den Lohn von Gefangenen als viel zu niedrig. Einer ihrer Sprecher, Marco Bras dos Santos, sagt mit Blick etwa auf Anwaltskosten und Unterhaltszahlungen: „Oft sind Häftlinge am Ende ihrer Haftzeit überschuldet.“ Gefangene dürfen keine Gewerkschaft bilden. Bras dos Santos bezeichnet die GGBO als „einen nicht eingetragenen Verein in Tradition von Gewerkschaften“. Sie habe bundesweit eine vierstellige Zahl von Mitgliedern - und setze sich seit Jahren für die Zulassung als Gewerkschaft ein.
Bras dos Santos kritisiert auch, dass arbeitende Gefangene bislang nicht in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlten. Zusammen mit der häufigen Verschuldung sei daher ihre Altersarmut oft schon programmiert.
Der Sprecher des Mainzer Justizministeriums, Christoph Burmeister, erklärt, die Debatte hierüber dauere in diversen länderübergreifenden Arbeitsgruppen schon seit Jahren an. 2018 habe die Justizministerkonferenz die Einbeziehung von Gefangenen in die Rentenversicherung für grundsätzlich sinnvoll erklärt. GGBO-Sprecher Bras dos Santos sagt: „Ich bin da vorsichtig optimistisch.“
Rund 3200 Menschen befinden sich laut Burmeister derzeit im rheinland-pfälzischen Justizvollzug. Es gibt landesweit acht Gefängnisse und zwei Jugendstrafanstalten. Eine Arbeitspflicht für geeignete Häftlinge existiert im Gegensatz zu etlichen anderen Bundesländern in Rheinland-Pfalz inzwischen nicht mehr.
„Mit Zwangsarbeit ist es schwierig“, sagt Burmeister. Auch in Freiheit gebe es keine Arbeitspflicht. Nicht alle Häftlinge seien arbeitsfähig. Suchtprobleme zum Beispiel nähmen zu. „Die meisten aber sind motiviert freiwillig zu arbeiten.“ Mit dem Verdienst könnten Häftlinge in Gefängnisläden etwa Tabak, Süßigkeiten und Shampoo kaufen. Außerdem kämen sie länger aus ihrer Zelle, könnten ihren Tag strukturieren und zusätzliche berufliche Qualifikationen erwerben.
Von der Häftlingsarbeit in Rheinland-Pfalz profitieren Justizminister Herbert Mertin (FDP), Wähler und Verbraucher. „Der Minister hat in seinem Zimmer einen Schreibtisch und einen Besprechungstisch aus massiven Holz aus der Schreinerei einer JVA (Justizvollzugsanstalt)“, berichtet Burmeister.
Die Wahlzettel für politische Wahlen im Land würden teils in der Druckerei des Gefängnisses in Diez im Rhein-Lahn-Kreis gedruckt. Auch Buchbindereien, Fensterbaubetriebe, Schlossereien, Gärtnereien, Schneidereien, eine Polsterei, eine Schusterei sowie eine Autowerkstatt gebe es im rheinland-pfälzischen Strafvollzug. Teilweise werde auch für externe Unternehmen produziert. Für welche verrät der Ministeriumssprecher nicht.
Die Gefängnisse in Diez, Wittlich im Kreis Bernkastel-Wittlich und Zweibrücken in der Pfalz betreiben nach seinen Worten öffentlich zugängliche Läden. Hier könnten Bürger zu üblichen Marktpreisen beispielsweise Pflanzen, Dekoprodukte, Insektenhotels, Grills, Gartenmöbel, Eier, Obst und Gemüse kaufen. Im Sinne der Nachhaltigkeit sogar in Stoffbeuteln statt Plastiktüten, genäht im Strafvollzug aus ausgemusterten Uniformhemden.