Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Bester Dinge":Prost Mahlzeit!

Keine Begrüßungsformel ist so wegwerfend und magensaftelnd wie "Mahlzeit!". Nun stirbt sie offenbar aus. Ein Segen!

Von Alexander Menden

Bevor Walter Moers mit Käpt'n Blaubär zum Dauergast in allen deutschen Kinderzimmern wurde, erfand er "Das kleine Arschloch", einen bebrillten Minderjährigen, der seinem Namen alle Ehre macht. Zur Begrüßung sagt er stets: "Mahlzeit!" Knapper hätte Moers die Unerträglichkeit dieser Comicfigur nicht umreißen können. Auch andere Begrüßungen sind schroff ("Tach!") oder sehr regional ("Moin!", "Servus!"), aber keine Begrüßungsformel ist so unzivilisiert, wegwerfend und magensaftelnd wie "Mahlzeit!".

Dabei ist "Mahlzeit" eigentlich eine Kurzform von "Gesegnete Mahlzeit", und das klingt erst einmal freundlich. Aber wer segnet heute schon en passant seine Mitmenschen? Wenn man sich im Betrieb mit "Mahlzeit!" in die Kantine verabschiedet, meint man wohl eher: "Zumindest für eine Weile muss ich nicht mehr mit euch Deppen hier im Großraumbüro sitzen."

Nun zitiert das Magazin Geo den Wiener Sprachwissenschaftler Manfred Glauninger mit der Vermutung, "Mahlzeit" sterbe so langsam aus, weil sich die Verhaltensnormen der regelmäßigen Mahlzeiten verändert hätten: "Frühstück, Mittagessen, Abendessen - so geregelt läuft das für viele Menschen ja gar nicht mehr ab." Sich gegenseitig "anzumahlzeiten" scheint weniger üblich zu sein, glaubt auch der Frankfurter Unternehmens- und Personalberater Hans-Peter Luippold - vielleicht auch weil jetzt öfter zu Hause statt im Büro vor dem Computer gesessen und gegessen werde.

Die oft beklagte digitale Vereinzelung hat dann zumindest eine positive Entwicklung eingeleitet: Das Verschwinden von "Mahlzeit" aus dem Sprachgebrauch wäre ein Gewinn fürs zivilisierte Zusammenleben. Alle, die nach einem höherwertigen Ersatz suchen, seien auf den Gerhard-Polt-Sketch "Mittagspause" verwiesen. Da wünscht einer den Kollegen, nachdem die gefühlte 100 Mal "Mahlzeit" gesagt haben, einfach: "Guten Appetit."

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