Mafia-Morde von Duisburg:Razzia in San Luca

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Vier Monate nach den Mafia-Morden von Duisburg nimmt die Polizei vier Verdächtige fest. Eine Feuertaufe für die neue deutsch-italienische Task Force gegen die Mafia, die vor wenigen Tagen gegründet wurde.

Stefan Ulrich

Giovanni Strangio ist entkommen. Polizisten eines Sonderkommandos klingelten am frühen Dienstag noch bei Dunkelheit an der Tür seiner Wohnung nahe der Mafia-Hochburg San Luca in Kalabrien. Sie wollten den 29 Jahre alten, zierlichen Mann mit den feinen Gesichtszügen schnappen, der seit Monaten mit deutschem und italienischem Haftbefehl weltweit gesucht wird. Er soll einer der beiden Killer sein, die am 15. August sechs Italiener vor dem Restaurant "Da Bruno" in Duisburg erschossen haben. Die Beamten aber trafen jetzt nur dessen Verwandte an. Strangio hatte wohl geahnt, dass ihm die Familie diesmal keine sichere Zuflucht bieten konnte.

Einer der Verdächtigen bei der Festnahme in San Luca. (Foto: Foto: AP)

Dafür gelang es den Fahndern nun, mindestens vier andere mutmaßliche Mitglieder aus dem in San Luca ansässigen Mafiaclan der Nirta-Strangio zu fassen. Zwei von ihnen wurden in Kalabrien, zwei andere auf Ersuchen der italienischen Justiz in Nordrhein-Westfalen festgenommen.

Ihnen wird Mitgliedschaft in der 'Ndrangheta, der kalabrischen Mafia, sowie Mord und Waffenhandel vorgeworfen. Zwar sollen sie nicht direkt bei dem Massaker von Duisburg mitgemacht haben. Ihre Festsetzung dürfte den Clan der Nirta-Strangio aber schwächen.

Die Aktion war so etwas wie die Feuertaufe für eine neue deutsch-italienische Task Force gegen die Mafia, die vor wenigen Tagen gegründet wurde. Vertreter der Justiz lobten die Zusammenarbeit als beispielhaft. Innenminister Giuliano Amato versprach weitere Erfolge: "Auch Strangio wird uns nicht entkommen."

Der junge Mann mit den blauen Augen ist in eine der blutrünstigsten Auseinandersetzungen innerhalb der kalabrischen Mafia verwickelt. Diese "Fehde von San Luca" soll auf einen Faschingsscherz im Jahre 1991 zurück gehen. Damals bewarfen Jugendliche aus dem Clan der Pelle-Vottari Mitglieder der Familie der Nirta-Strangio mit Orangen oder, wie auch kolportiert wird, mit Eiern. Bald darauf wurde scharf geschossen.

Nach einer langen Pause flammte die Fehde, bei der es um die Macht in San Luca und den Einfluss im internationalen Drogenhandel geht, vor einem Jahr wieder auf. Am ersten Weihnachtsfeiertag wurde Maria Strangio ermordet. Bei ihrer Beerdigung tauchte ihr Cousin Giovanni mit einer Waffe auf - womöglich, um Trauergäste der Gegenseite zu töten. Er kam ins Gefängnis, wurde aber im Juli auf Bewährung frei gelassen. Daraufhin habe er, so vermuten die Ermittler, den Anschlag von Duisburg vorbereitet.

Die deutsche Justiz wirft Giovanni Strangio vor, er habe gemeinsam mit einem weiteren Täter mit Pistolen der Marke Beretta Dutzende Male auf die sechs Italiener in Duisburg geschossen. Eine Zeugin will ihn erkannt haben, als er vom Tatort weg fuhr.

Die italienische Polizei stellte nach dem Anschlag San Luca auf den Kopf und nahm in Kalabrien bislang mehr als 30 Menschen fest. Die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Bundeskriminalamt (BKA) wurde ausgebaut. BKA-Präsident Jörg Ziercke sagte vergangene Woche, Deutschland spiele für die italienische Mafia eine große Rolle. Durch enge Kooperation mit Italien sollten Verbrechen wie in Duisburg künftig verhindert werden.

Auch die 'Ndrangheta scheint fürs erste auf spektakuläre Bluttaten verzichten zu wollen. Die Ermittler schließen aus abgehörten Telefonaten, dass sich die Bosse von San Luca auf einen Waffenstillstand geeinigt haben, um ihre Drogen- und Geldwäsche-Geschäfte zu ordnen.

Das Abkommen wurde offenbar bei einem Treffen in der Nähe des Marien-Heiligtums Polsi im Gebirge des Aspromonte geschlossen. Die Mafiosi hätten damit Sinn für Traditionen bewiesen. Der Wallfahrtsort gilt seit Menschengedenken als Treffpunkt der Clans.

© SZ vom 19.12.2007/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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