Mafia in Italien:Tod eines Aufrechten

Der Bürgermeister des Örtchens Acciaroli in Süditalien wurde erschossen. Angelo Vassallo hatte sich seit Jahren der Camorra entgegen gestellt - und musste wohl deshalb sterben.

Andrea Bachstein

Das Örtchen Acciaroli gilt als Perle des Cilento, einer Küstenregion Kampaniens. Vorbildlich sauberes Meereswasser, ein wohlerhaltenes Ortsbild, ein wahres Idyll. Neun Neun-Millimeter-Kugeln haben nun gezeigt, dass in dem italienischen Ferienort südlich von Neapel auch finstere Kräfte walten.

Angelo Vassallo

Mit neun Neun-Millimeter-Kugeln getötet: der Kleinstadt-Bürgermeister Angelo Vassallo.

(Foto: Tano Pecoraro)

Jemand hat mit diesen Geschossen den Bürgermeister Angelo Vassallo ermordet. Der oder die Mörder haben dem 57-Jährigen aufgelauert, als er am späten Sonntagabend mit seinem Auto auf dem Heimweg war. "Fischer-Bürgermeister" wurde er genannt, denn Fischer war sein eigentlicher Beruf gewesen.

Ein bisschen Sheriff

Seine Berufung aber war offenbar seine Gemeinde Pollica-Acciaroli. Er war ein engagierter Umweltschützer, als Fischer wusste er, wie verletzbar die Natur ist. Und Vassallo war offenbar so wenig korrumpierbar, dass er sich nicht einmal zu einem Espresso in der Bar einladen lassen wollte, wie Leute aus Acciaroli nun berichten. Über 16 Jahre hinweg ist Vassallo wiedergewählt worden als Bürgermeister für eine Politik, die der Umwelt den Vorrang vor dem höchstmöglichen Kommerz gegeben hat.

Und ein bisschen hat er sich wohl auch als Sheriff verstanden, indem er jahrelang versucht hat, den Drogenhandel von seiner Gemeinde fernzuhalten. Vassallo kämpfte auch gegen illegale Geschäfte. So soll er vor einiger Zeit einen Immobiliendeal verhindert haben, der ihm suspekt erschien, und es heißt, dass er auch immer wieder als Zeuge bei der Staatsanwaltschaft ausgesagt habe.

Es sieht so aus, als habe seine Politik der Sauberkeit ein paar Leuten nicht gepasst, und zwar so sehr, dass sie den Bürgermeister aus dem Weg räumen wollten. Jedenfalls hat jetzt die Anti-Mafia-Behörde die Ermittlungen in dem Fall übernommen. Das Verbrechen passt zu den Methoden der Camorra in Kampanien.

Eine Spur, die dabei verfolgt wird, sind Bauausschreibungen für den Hafen von Acciaroli, um vier Millionen Euro ging es. Solche öffentlichen Bauaufträge sind ein klassisches Einfallstor für mafiöse Unternehmen. Vassallo soll besorgt gewirkt haben in den letzten Monaten, berichteten nun Leute, die ihn oft gesehen haben. Jemand sagte, er habe überlegt, aus der Politik auszusteigen. Und Vassallos Bruder Claudio hat ausgesagt, der Bürgermeister habe wenige Tage vor seiner Ermordung erzählt, dass sich Polizisten aus der Gegend mit "wenig empfehlenswerten Personen" eingelassen hätten. Das ist die in bürgerlichen Kreisen übliche Umschreibung für Mitglieder der Camorra. Sein Bruder habe übergeordnete Behörden darüber informiert, jedoch nie eine Antwort erhalten.

Mit Fackeln durch den Ort

Angelo Vassallo war wegen seines Engagements kein ganz Unbekannter in Italien, er war auch der Slow-Food-Bewegung verbunden. Die Beileidsbekundungen und Würdigungen kommen von allen politischen Parteien, auch Italiens Innenminister Roberto Maroni hat sich zu Wort gemeldet. Bis an den Lido von Venedig hat die Welle der Trauer gereicht. Dort wurde bei den Filmfestspielen der in Acciaroli gedrehte Film "Noi credevamo" vorgeführt, Vassallo hätte zur Vorstellung kommen sollen.

Für nächste Woche haben in der Provinz Salerno Politiker, Gewerkschafter und ehemalige Richter zu einer Anti-Mafia-Demonstration aufgerufen. Die Einwohner von Acciaroli sind unterdessen schon mit Fackeln zum Gedenken ihres toten Fischer-Bürgermeisters durch den Ort gezogen. Sie wollen sein Erbe bewahren.

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