Vor sechs Jahren hatte die Betreibergesellschaft der U-Bahn von Madrid angekündigt, ihre Belüftungssysteme fortan von einer künstlichen Intelligenz steuern zu lassen. Das sollte unter anderem den Energieverbrauch minimieren. Doch womöglich war dieser Ansatz zu komplex, um die Sommerhitze der spanischen Hauptstadt zu bändigen. In diesem Jahr erprobt Metro de Madrid eine Methode, die eher das Gegenteil einer KI ist und für die unter Technikern der Begriff brute force, rohe Gewalt, benutzt wird.
Hochleistungsventilatoren sollen künftig die Luft im Madrider Untergrund in Bewegung halten und den am Bahnsteig wartenden Fahrgästen einen Hauch von Abkühlung bringen. Die Geräte werden dabei nicht hinter Lüftungsgittern oder Metallröhren versteckt. Die Ventilatoren stehen einfach auf den Bahnsteigen, so wie man sich einen Ventilator im Schlafzimmer aufstellen würde. Nur größer. Viel größer.
Die Gehäuse sind hoch und breit wie ein Pkw. Darin wirbelt ein sechsflügeliger Propeller mit einem Durchmesser von einem Meter. Mehr als 16 000 Kubikmeter Luft bewegt ein solcher Ventilator pro Stunde.
In einigen U-Bahnhöfen der Stadt sind sie bereits installiert, zum Beispiel an den Bahnsteigen der Linie 1 unter der Puerta del Sol, dem zentralen Platz von Madrid, von dem aus alle Entfernungen in Spanien gemessen werden. Dort stehen die Geräte wie überdimensionale, nicht abgeholte Amazon-Lieferungen. Das Ganze wirkt etwas improvisiert, auch weil ein Band die Fahrgäste von den Apparaten fernhalten soll, versehen mit Schildern „No tocar“, „nicht anfassen“.
Doch angeblich wurde diese Form der U-Bahn-Klimatisierung von asiatischen Vorbildern wie Hongkong abgeguckt. Tatsächlich gilt die U-Bahn der chinesischen Metropole unter Fachleuten als eine der fortschrittlichsten der Welt. Vorgesehen ist laut den Madrider Metro-Betreibern, zunächst 20 Bahnsteige testweise mit je zwei Propeller-Geräten auszustatten. Dazu gehören unter anderem viel besuchte Stationen wie Sol und Callao in der Innenstadt sowie der U-Bahn-Halt am Hauptbahnhof Atocha.
Geplant ist, die Geräte anzuwerfen, sobald Aenet, die nationale Wetterbehörde Spaniens, eine Hitzewelle vorhersagt. Die in den vergangenen Tagen erreichten Tagestemperaturen von gut 35 Grad lösten diesen Alarm noch nicht aus, schließlich kühlt es nachts noch auf 20 Grad ab.
Falls die Ventilatoren den U-Bahn-Nutzern die erhoffte Erfrischung bringen, soll diese Lösung in den kommenden Jahren auf weitere der insgesamt mehr als 300 Madrider U-Bahnhöfe übertragen werden. Das kündigte die Ministerpräsidentin der Region Madrid, Isabel Díaz Ayuso, im Interview mit 20 minutos an.
Die linke Opposition hält die Ventilatorenlösung allerdings für das, was man im Westen Deutschlands mitunter als „Gefrickel“ bezeichnet, eine zusammengeschusterte Lösung. „Die Betreibergesellschaft braucht dringend eine Studie über die thermische Situation“ im Untergrund, sagte ein Sprecher der Partei Más Madrid der Zeitung El país und forderte, der momentanen „peinlichen Situation“ ein Ende zu setzen. Doch wie oft in Spanien gilt: Hauptsache, es funktioniert. Und das muss man neidlos anerkennen: Die Metro von Madrid funktioniert ganz ausgezeichnet.