Fall Madeleine McCann:Puzzleteilchen für Puzzleteilchen

Fall Madeleine McCann: 2007 verschwand Madeleine McCann, damals drei Jahre alt. Das Bild zeigt einen Suchaufruf sechs Jahre später.

2007 verschwand Madeleine McCann, damals drei Jahre alt. Das Bild zeigt einen Suchaufruf sechs Jahre später.

(Foto: Johannes Eisele/AFP)

Warum sind sich die deutschen Ermittler so sicher, dass Madeleine McCann nicht mehr lebt? Sie wissen mehr, als sie öffentlich sagen - brauchen aber noch Zeit.

Von Peter Burghardt

Die Metropolitan Police habe ein Schreiben vom Bundeskriminalamt bekommen und es an sie weitergeleitet, berichten die Eltern von Madeleine McCann nun auf ihrer Homepage. "Find Madeleine", heißt die Website, finde Madeleine. Am 3. Mai 2007 verschwand ihre damals dreijährige Tochter aus einer Ferienanlage in Praia da Luz an Portugals Südküste. In dem Brief habe nicht gestanden, dass es einen Beweis dafür gebe, "dass Madeleine tot ist", berichtet das Ehepaar. Vom deutschen Staatsanwalt habe die Londoner Polizei keinen Brief erhalten. Sie führt Madeleine McCann weiterhin als vermisst.

Die McCanns und interessierte Beobachter auf der ganzen Welt fragen sich ja seit Wochen, warum die Ermittler in Deutschland so sicher sind, dass das Kind ermordet wurde und von wem: von einem 43 Jahre alten Deutschen, der unter anderem wegen Sexualstraftaten vorbestraft ist und derzeit wegen Drogenhandels in einem Kieler Gefängnis sitzt. Man habe "nicht einfach nur Hinweise, sondern belastbare Indizien dafür, dass das Mädchen getötet wurde", sagte der Braunschweiger Staatsanwalt Hans Christian Wolters kürzlich auch der SZ. "Es gibt Beweise, aber eben nicht forensisch", also keine Leiche. Welche belastbaren Indizien oder Beweise sind das?

Wolters wird mit Anfragen überhäuft, seit das BKA und die Staatsanwaltschaft Anfang Juni zur großen Überraschung bekannt gegeben hatten, dass es im Kriminalfall McCann einen Tatverdächtigen gebe und Ermittlungen wegen Mordverdachts. Im Fernsehen und in Zeugenaufrufen war von zwei früheren Häusern und Fahrzeugen des Mannes an der Algarve die Rede: Er lebte ganz in der Nähe, als Madeleine McCann aus dem Ferienapartment der Familie mutmaßlich verschleppt wurde. Sein Handy war im Umkreis des Tatorts eingeloggt.

Köder für Informanten

Die Fotos und Nummern sind wie Köder für potenzielle Informanten. Doch Wolters sagt, man habe natürlich mehr als das, was öffentlich gemacht wurde. Man besitze "genug Anhaltspunkte", habe aber die Karten ganz bewusst nicht auf den Tisch gelegt. "Es wäre einfacher, wenn alle wüssten, was wir wissen", sagt Wolters, doch das gehe nicht. Noch nicht. "Aus ermittlungstaktischen Gründen", wie sich das nennt. Deshalb wurde der Verdächtige Christian B. bis zuletzt auch noch nicht vernommen, wobei er laut Wolters natürlich jederzeit um eine Vernehmung bitten könne.

Christian B. Is Main Suspect In Madeleine McCann Case

Der Verdächtige Christian B. sitzt gerade in der Justizvollzugsanstalt Kiel ein - wegen eines Drogendelikts.

(Foto: Morris MacMatzen/Getty Images)

Es gibt bisher keine Anklage, keinen Haftbefehl. Noch ist ungewiss, ob und wann es für einen Prozess reicht. Die Fahnder hoffen auf mehr Zeit. Bis 2021 dauert die Haftstrafe von B. wegen Rauschgiftgeschäften auf Sylt, sein Antrag auf vorzeitige Entlassung hat wenig Chancen. Über zusätzlich sieben Jahre Gefängnis wegen Vergewaltigung befinden gerade Bundesgerichtshof und Europäischer Gerichtshof.

Seit 2017 sei das BKA intensiver mit B. beschäftigt, "seit 2018 wir", sagt der Braunschweiger Staatsanwalt Wolters. Woher dann die plötzliche Gewissheit? "Seriöse Ermittlungsarbeit der vergangenen zwei Jahre", antwortet er. Ein Hinweis auf Christian B. als möglichen Täter war bereits 2013 eingegangen und an die Briten weitergeleitet worden. Zwischen den Ländern und Behörden gab und gibt es offenbar die eine oder andere Abstimmungsschwierigkeit inklusive Kompetenzgerangel. Zuletzt war von möglichen Speichelresten in Madeleine McCanns Kinderbett in Portugal die Rede. Auch melden sich seit der Sendung "Aktenzeichen XY ungelöst" und der internationalen Berichterstattung Hunderte Menschen, die irgendetwas über Christian B. zu wissen glauben. Außerdem wird er mit anderen Fällen in Verbindung gebracht. Die Suche nach Spuren und Puzzleteilchen geht weiter, der Medienhype ist dabei nicht zwingend zielführend.

Die Mitteilung an die McCanns sei über das BKA und die britische Polizei gegangen, sagt der Staatsanwalt Wolters. Man wolle der Familie auch zeigen, dass man mitfühle. Und er versteht, dass sie aufgewühlt sind, noch dazu mit einem offiziell nicht präzise untermauerten Verdacht.

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