Süddeutsche Zeitung

Madame Tussauds in Berlin:Erfolgreiches Attentat auf Hitler

Kurz nach der Eröffnung des Wachsfigurenkabinetts Madame Tussauds in Berlin hat ein 41-jähriger Mann aus Kreuzberg der Figur des Diktators den Kopf abgerissen.

Thorsten Denkler, Berlin

Kurz nach der Eröffnung des neuen Berliner Wachsfigurenkabinetts Madame Tussauds hat ein Besucher sich auf die Figur von Adolf Hitler gestürzt und ihr den Kopf abgerissen. "Der Kopf ist abgerissen", sagte ein Polizeisprecher. Dabei soll nach Angaben des Sprechers einer der zwei Sicherheitsbeamten, die extra zum Schutz der Hitler-Wachsfigur abgestellt worden waren, versucht haben, den Mann aufzuhalten. Der 41-Jährige habe den Wachmann jedoch gewaltsam zur Seite gestoßen.

Die Polizei konnte den Mann noch im Museum festnehmen, setzte ihn aber am Nachmittag wieder auf freien Fuß. Nach ersten Vermutungen des Polizeisprechers könnte ein politischer Hintergrund das Tatmotiv sein. Der 41-Jährige wollte offenbar gegen die Ausstellung demonstrieren. Der Täter sei der Polizei bislang nur wegen kleinerer Delikte aufgefallen, die jedoch keinen politischen Bezug gehabt hätten, so der Sprecher weiter.

Das Magazin Spiegel TV zitierte den Kreuzberger mit den Worten, er rechne nun damit, dass er "eine Menge Geld" zahlen müsse. Unterstützer habe er nicht gehabt.

Nach einem Bericht des Internetportals Morgenpost Online, das sich auf das persönliche Umfeld des Täters beruft, handelt es sich um einen ehemaligen Polizisten. Er habe vor Jahren seinen Dienst bei der Behörde quittiert, weil er nach einer Demo am 1. Mai festgestellt habe, dass er auf die "andere Seite gehöre". Die Polizei konnte den Bericht am Abend nicht bestätigen.

Museum - vorübergehend dicht

Gegen den Täter wird noch wegen Sachbeschädigung und Körperverletzung ermittelt. Das Museum wurde nach dem Anschlag vorübergehend geschlossen, nach einer Stunde wurde das Kabinett jedoch wieder eröffnet.

Die Sprecherin von Madame Tussauds, Natalie Rouß, wollte die Kopflosigkeit Hitlers nicht bestätigen. Sie sprach lediglich von Beschädigungen an der Figur, dass der Schaden jetzt geprüft werde und dass die Geschäftsführung Entscheidungen fällen werde. Welche Art von Entscheidungen sagte sie nicht.

Sie ließ damit auch offen, ob die Figur wieder in Berlin ausgestellt werde. Zudem habe es im Vorfeld keine Hinweise auf einen Anschlag gegeben. Es seien weder Briefe, Telefonate noch Emails eingegangen, die darauf hingedeutet hätten.

Stephan Koch, einer der beiden Mitarbeiter, die die Figur schützen sollten, sagte: Der Täter sei mit einer solchen Gewalt über den Tisch auf den dahinter sitzenden Hitler zugesprungen, dass sie selbst zu zweit nicht in der Lage waren, den Mann zurückzuhalten. Verletzungen seines Kollegen konnte er nicht bestätigen.

Während im Inneren die Spurensicherung Kopf und Rumpf der Hitler-Wachsfigur in einen Nebenraum brachte, um sie dort zu untersuchen, warteten zahlreiche Besucher vor dem Museum auf Wiedereinlass.

Andreas F. aus Halle an der Saale berichtete, er habe zuvor mit dem 41-jährigen Täter etwa eine Stunde auf die Eröffnung des Wachsfigurenkabinetts gewartet und sich auch mit ihm unterhalten. Dabei sei der Mann ruhig und unauffällig gewesen. Er habe erzählt, dass er Urlaub habe und diese Gelegenheit nutzen wolle, um die Ausstellung zu besuchen, erzählt F.

Ein anderer Besucher berichtete der Nachrichtenagentur dpa, der Mann habe plötzlich "Nie wieder Krieg" gerufen und der Figur den Kopf abgerissen.

Der umstrittene Publizist Henryk M. Broder, der ebenfalls bei der Eröffnung des Wachsfigurenkabinetts anwesend war, findet die Enthauptung der Figur "eine tolle Sache". Erstmals in der Geschichte sei es gelungen, ein erfolgreiches Attentat auf Hitler zu verüben.

Das neue Berliner Wachsfigurenkabinett ist nach London und Amsterdam die dritte Tussauds-Niederlassung in Europa und die achte weltweit. In den vergangenen Wochen waren die Organisatoren immer wieder wegen der Hitler-Figur kritisiert worden. Der Diktator ist als alter Mann hinter einem Schreibtisch zu sehen. Die Hitler-Figur darf weder berührt noch fotografiert werden.

Unterdessen droht dem Wachsfigurenkabinett von Madame Tussauds auch von anderer Seite neuer Ärger. Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) sich in der Bild-Zeitung verwundert darüber, als Wachsfigur in der Ausstellung zu stehen. "Ich habe dazu nie mein Einverständnis gegeben", sagte Kohl.

"Ds ist alles sehr unseriös"

Der ehemalige Kanzler habe zwar im Vorfeld Kontakt mit den Ausstellungsmachern gehabt, sein Einverständnis aber an bestimmte Bedingungen geknüpft. "Das ist alles sehr unseriös, da fehlt jeder Anstand. Ich gebe die Sache meinem Anwalt", wurde Kohl vom Blatt zitiert.

"Wir bekommen unsere Figuren aus London. Die arbeiten sauber", sagte die Berliner Tussauds-Managerin Susanne Keller. "Ich gehe davon aus, dass Kohl sein Einverständnis gegeben hat. Deshalb steht er hier bei uns."

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