Peru:Allein in Machu Picchu

Nach sieben Monaten darf ein junger Japaner als erster Tourist wieder Perus geschlossene Inka-Ruinen besuchen. Angeblich eine Belohnung für seine Hartnäckigkeit - vielleicht aber auch ein geschickter Marketing-Gag.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Wenige Dinge dürften die weltweite Reisebranche in den letzten Jahren so geprägt haben, wie die Bucket List und das soziale Fotonetzwerk Instagram. Erstere ist eine Liste, auf die man all die Dinge schreibt, die man vor dem Tod noch tun oder sehen will. Auf letzterem dagegen dokumentiert man dies alles für seine Familie, Freunde und Follower, die - mit Herzchen unter den Fotos -, die Sehenswürdigkeiten dann auf ihre eigene Bucket List setzen.

So entsteht eine Kettenreaktion, die immer schneller läuft. Malerische kleine Ortschaften werden von fotowütigen Besuchern überschwemmt, Overtourism nennen das einige, andere Wahnsinn. Die Welt jedenfalls wird immer kleiner und voller. Umso mehr sorgte darum eine Meldung für Aufmerksamkeit, nach der ein japanischer Tourist am vergangenen Wochenende Perus Touristenattraktion Machu Picchu besucht hat - und zwar: alleine.

26 Jahre alt ist Jesse Katayama und letzten März kam der Boxtrainer aus Osaka nach Peru. Hauptziel: die Inka-Ruinen. Gebaut vor fast 500 Jahren in die Einsamkeit der Anden kommen heute jedes Jahr mehr als eine Million Besucher. So viele, dass die Verwaltung schon Höchstgrenzen einführen musste, um den Erhalt der historischen Stätte nicht zu gefährden. Besucher müssen Tickets kaufen, teils schon lange im Voraus.

Das von Jesse Katayama war für den 16. März datiert. Genau an diesem Tag aber begann der von der peruanischen Regierung kurz zuvor verhängte Notstand, inklusive einer strengen Ausgangssperre. Das Verlassen des Hauses war nur in Ausnahmen gestattet, um einkaufen zu gehen, zur Apotheke oder zum Arzt, nicht aber, um sich eine jahrhundertealte Ruinenstadt inmitten malerischer Berge anzusehen.

Katayama musste also warten. Tausende Touristen strandeten für Wochen in Perus striktem Lockdown. Er wurde mit strengen Strafen durchgesetzt, Soldaten patrouillierten auf den Straßen, dennoch aber stiegen die Infektionszahlen immer weiter. Peru ist heute eines der Länder weltweit, die am härtesten von dem Erreger getroffen wurden, mehr als 33 000 Menschen starben schon, bei gerade einmal 32 Millionen Einwohnern. Touristen durften zwar nach ein paar Wochen wieder ausreisen, bis Anfang Oktober aber waren die Grenzen des Landes für Besucher geschlossen und eine für Mitte des Jahres angesetzte Öffnung von Machu Picchu wurde wegen der vielen Ansteckungen verschoben, vermutlich auf November.

Dass nun Jesse Katayama dennoch die Ruinen besuchen durfte, liegt erst einmal an seiner Beharrlichkeit. All die Monate, in denen die Welterbestätte geschlossen war, blieb Katayama in dem kleinen Städtchen Aguas Calientes in Sichtweite der Inka-Ruinen wohnen. "Ich bin gekommen, um dieses Wunder zu sehen", sagte er der Zeitung La República. "Vorher will ich nicht heim." Katayama ging morgens joggen, erzählte er CNN, er gab Kindern Boxunterricht und lebte ansonsten in einem kleinen gemieteten Zimmer. "Letzter Tourist von Machu Picchu" wurde er in den lokalen Medien genannt, er fand Freunde und angeblich waren sie es auch, die ihm dabei halfen, Kontakt zum Kulturministerium herzustellen, mit der Bitte, doch eine Ausnahme für ihn zu machen. Und tatsächlich: Am vergangenen Samstag durfte Katayama in die Inka-Stadt, als erster Tourist seit sieben Monaten.

Ob es wirklich jenes Bittschreiben war, das ihm die Tore öffnete, ist ungeklärt. Möglich auch, dass man sich im Kulturministerium auch Hoffnungen machte, dass die Geschichte vom beharrlichen Japaner weltweit für Aufmerksamkeit sorgen könnte, was nicht unwillkommen wäre, ein paar Wochen vor der für November geplanten Wiedereröffnung der Attraktion.

Katayama jedenfalls postete brav Bilder von sich in den verlassenen Ruinen auf Instagram, versehen mit Lob und Dank an die Peruaner und dem Schlagwort #MachuPicchu. Gut möglich, dass seitdem die Bucket List von ein paar seiner Follower wieder ein bisschen länger ist.

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