Sizilien:Ermittlungen gegen den Kapitän der Unglücksyacht aufgenommen

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Ein undatiertes Foto zeigt die 56 Meter lange Superyacht "Bayesian", die vor dem Küstenort Porticello kenterte. (Foto: IMAGO/Perini Navi Press Office Handout/IMAGO/ZUMA Press)

Vor einer Woche sank die Superyacht „Bayesian“ vor Sizilien binnen Minuten in einem Sturm. Sieben Menschen starben, der Kapitän gehört zu den Überlebenden. Nun verdichten sich Hinweise auf Fehlverhalten von ihm und anderen Besatzungsmitgliedern.

Von Marc Beise, Rom

Nun also doch: Gegen den Kapitän der vor der sizilianischen Küste im Sturm gesunkenen Luxusyacht Bayesian hat die Staatsanwaltschaft in Palermo jetzt ein formelles Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung und Schiffsbruchs eingeleitet, wie italienische Medien am Montag berichteten. Der 51-jährige Neuseeländer wird als sehr erfahrener Skipper beschrieben, der schon seit vielen Jahren Luxusboote führte. Er wurde nun bereits zweimal vernommen, in der Öffentlichkeit ist von ihm nur der eine Satz aus dem Krankenhaus bekannt, wonach er gesagt haben soll: „Wir haben den Sturm nicht kommen sehen.“

Bisher hatten die Ermittler ausdrücklich niemanden konkret ins Visier genommen, der für das aufsehenerregende nächtliche Unglück verantwortlich sein könnte, bei dem die 56 Meter lange Luxusyacht in Ufernähe binnen Minuten im Meer versank. Dabei wurden sieben Menschen mit in die Tiefe gerissen, darunter der britische Multimilliardär und Software-Pionier Mike Lynch und seine 18-jährige Tochter. Ums Leben kamen ferner zwei befreundete Ehepaare und der Schiffskoch; alle Leichen wurden mittlerweile aus dem in 49 Meter Tiefe auf der Seite liegenden Wrack geborgen und kommen nun in die Autopsie.

Unverändert wird darüber gerätselt, wie eine so große Yacht so schnell untergehen konnte. Ein naheliegendes, etwas kleineres Schiff überstand den Sturm unbeschadet und konnte die im Wasser treibenden Überlebenden aufnehmen. Der nächtliche Sturm war seit Tagen erwartet worden, nicht allerdings die Wasserhose oder die Fallböe, die das Schiff um kurz nach vier Uhr am Montagmorgen vor einer Woche traf. Die Herstellerfirma erklärte das Schiff, das mit dem höchsten Aluminiummast der Welt ausgestattet war, schon früh für sicher und schob die Schuld schnell auf die Besatzung. Für diese Theorie häufen sich in der Tat nach vielen Tauchgängen von Spezialisten die Indizien.

Die Rede ist von einer offenen Pforte am Heck des Schiffes, wo die Wasserfahrzeuge an Bord genommen werden. Dahinter liegt der Maschinenraum, zu dem es ebenfalls eine Tür geben soll. Das Schiff ist nach Zeugenaussagen mit dem Heck zuerst und innerhalb von maximal fünf Minuten gesunken. Auch soll der Hubkiel des Segelschiffes, das diesem auf See Stabilität gibt, teilweise eingezogen gewesen sein, wie dies bei der Einfahrt in einen Hafen üblich ist; die Bayesian lag aber 900 Meter vor der Küste.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft konzentrieren sich auf die Ereignisse unmittelbar vor dem Sinken des Schiffes, also auf eine Zeitspanne zwischen 3:50 Uhr, als der Sturm anhob, und 4:06 Uhr, als das automatische Sinksignal ertönte. Die Crew hatte anscheinend etwa eine Viertelstunde Zeit, um zu reagieren. Alle Besatzungsmitglieder außer dem Schiffskoch waren an Deck und überlebten, während alle Opfer womöglich noch schlafend in den Kabinen vom Wasser eingeschlossen wurden und dann nicht mehr schnell genug den Weg nach draußen fanden.

Dies gelangen nur Lynchs Frau, der die Yacht gehörte und von der es heißt, sie sei durch die wilden Schiffsbewegungen geweckt worden und an Deck gegangen, um nach dem Rechten zu sehen, sowie einer jungen Mitarbeiterin des Milliardärs samt Ehemann und kleinem Kind.

Mittlerweile gehen Gerüchte um von einer Party am Vorabend bis hin zu einer angeblichen Explosion an Bord und von Geheimdienstaktivitäten. Letztere speisen sich unter anderem daraus, dass die Software, mit der Lynch reich geworden ist, angeblich in den Kriegen in der Ukraine und in Nahost eingesetzt werde. Wahrscheinlicher ist jedenfalls, dass das Schiff von der ungewöhnlich heftigen Böe direkt getroffen wurde und dann extrem schnell Wasser aufnahm. Letzte Gewissheit wird es möglicherweise erst geben, wenn das Schiff gehoben sein wird, was noch Wochen, wenn nicht Monate dauern kann.

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