Lügde:NRW-Familienminister fordert härtere Strafen bei Kindesmissbrauch

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Auf dem Campingplatz in Lügde im Kreis Lippe sollen mindestens 29 Kinder sexuell missbraucht worden sein. (Foto: Guido Kirchner/dpa)
  • Nordrhein-Westfalens Familienminister Joachim Stamp (FDP) hat als Konsequenz aus dem jahrelangen Kindesmissbrauch auf einem Campingplatz in Lügde härtere Strafen bei sexuellem Missbrauch von Kindern gefordert.
  • Innenminister Herbert Reul (CDU) räumte schwere Fehler der Polizei in dem Fall ein. Offenbar waren die Behörden ersten Hinweisen auf Missbrauchsfälle 2016 nicht nachgegangen.
  • Die Staatsanwaltschaft strebt einen Prozess gegen die drei Verdächtigen im Frühsommer an.

Als Konsequenz aus dem jahrelangen Kindesmissbrauch auf einem Campingplatz in Lügde hat sich Nordrhein-Westfalens Landesregierung für schärfere Gesetze ausgesprochen. Es müsse geprüft werden, die Mindeststrafe bei sexuellem Missbrauch von Kindern von derzeit einem halben Jahr auf mindestens ein Jahr heraufzusetzen, sagte Familienminister Joachim Stamp (FDP) am Montag in Düsseldorf: "Ich persönlich bin der Meinung, wir brauchen beim Paragraphen 176 Veränderungen."

Die Staatsanwaltschaft strebt einen Prozess gegen die drei Verdächtigen im Frühsommer an. Ziel sei es, "stringent durchzuermitteln" und eine Anklage so frühzeitig fertigzustellen, dass das zuständige Gericht möglichst im Juni eine Hauptverhandlung ansetzen könne, sagte der Detmolder Oberstaatsanwalt Ralf Vetter am Montag. Das Ausmaß der Vorwürfe sei gewaltig, zudem könnten sich weitere Opfer melden. Man könne daher nicht ausschließen, dass zunächst nur ein Teil der mutmaßlichen Taten zur Anklage gebracht werde.

Zwei Männer aus Nordrhein-Westfalen im Alter von 56 und 33 Jahren sollen auf dem Campingplatz über Jahre hinweg mindestens 29 Kinder im Wechsel missbraucht und gefilmt haben. Der dritte Verdächtige in Untersuchungshaft, ein 48-jähriger Monteur aus Stade, soll nach Angaben seines Anwalts in zwei Fällen per Live-Chat am Missbrauch teilgenommen haben. Sein Anwalt hat deswegen Haftprüfung beantragt. "Da kommt mir das kalte Grauen", sagte Familienminister Stamp. "Es muss klar sein, dass es sich auch in diesem Fall nicht um ein Vergehen handelt, sondern um ein Verbrechen." Bei der Pressekonferenz in Detmold am vergangenen Mittwoch hieß es noch, dass der 48-Jährige der Auftraggeber der Filme gewesen sei.

Die Polizei ignorierte 2016 erste Hinweise

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) räumte derweil schwere Fehler der Polizei in dem Fall ein. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft erhielt die Polizei bereits 2016 Hinweise auf einen möglichen sexuellen Missbrauch. Ermittlungen habe es aber nicht gegeben. "Das ist Behördenversagen an allen Ecken und Kanten", sagte Reul. Deswegen sei auch gegen die Polizisten Strafanzeige gestellt worden, die den Hinweisen nicht nachgegangen seien. "Wir prüfen jetzt ganz genau, woran das gelegen hat, um daraus auch Konsequenzen zu ziehen."

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hatten sich 2016 zwei Zeugen gemeldet. Die Polizei habe deren Hinweise auf einen möglichen sexuellen Missbrauch eines Pflegekindes durch den Hauptbeschuldigten an das Jugendamt Lippe weitergeleitet. Polizeiliche Ermittlungen habe es aber nicht gegeben. Das Jugendamt Lippe teilte am vergangenen Mittwoch mit, die Anzeige habe sich auf den Verdacht der Verwahrlosung des Kindes bezogen, nicht auf sexuellen Missbrauch.

Die Landesregierung kündigte am Montag an, den Schutz von Minderjährigen vor sexueller Gewalt verbessern zu wollen. "Wir müssen versuchen, dass wir so etwas Ungeheuerliches nicht mehr erleben", sagte Stamp. Die Landesregierung erwäge, einen Landesbeauftragten gegen sexuelle Gewalt an Kindern zu berufen und eine beratende Kommission von Kommunen und Land einzusetzen. Die Präventionsmaßnahmen für Kinder und Familien in prekären Situationen müssten neu justiert werden.

© SZ.de/dpa/jana/swi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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