Süddeutsche Zeitung

Verdacht auf Kindesmissbrauch:Lügde-Ermittlungen führen zu weiterer Festnahme

Einem 48-jährigen Mann aus Niedersachsen wird schwerer sexueller Missbrauch von Kindern vorgeworfen. Er soll mit dem Lügde-Haupttäter Andreas V. befreundet gewesen sein.

Von Britta von der Heide und Jana Stegemann, Düsseldorf

Mehr als ein Jahr ist vergangen, seit der größte Fall von sexueller Gewalt gegen Kinder in Nordrhein-Westfalen aufgedeckt wurde. Die beiden Lügde-Haupttäter Andreas V. und Mario S. sind verurteilt worden, die Ermittler und Ermittlerinnen aber noch immer mit der Aufarbeitung der Taten beschäftigt. Jetzt wurde nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR ein Bekannter von Andreas V. verhaftet.

Polizisten nahmen den 48-Jährigen aus dem niedersächsischen Landkreis Northeim bei Göttingen an seiner Arbeitsstelle fest, im Anschluss durchsuchten Ermittler seine Wohnräume und stellten Beweismaterial sicher, das nun ausgewertet wird. Ein Richter erließ am Donnerstag Haftbefehl wegen des dringenden Tatverdachts des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen. Der Mann befindet sich seitdem in Untersuchungshaft, wie die ermittelnde Staatsanwaltschaft Göttingen bestätigte.

Nach bisherigen Erkenntnissen gibt es keine Hinweise darauf, dass der Verdächtige zusammen mit Andreas V. Kindern sexuelle Gewalt antat. Es bestehe kein "unmittelbarer Zusammenhang mit dem Missbrauchskomplex Lügde", teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft mit, allerdings "soll der Beschuldigte mit einem der beiden Täter aus dem Lügde-Komplex befreundet gewesen sein". Daher prüfen die Ermittler auch, ob es weitere Opfer gibt und ob der Mann seine Gewalttaten filmte und fotografierte.

NRW-Innenminister Reul ist zufrieden mit der Ermittlungsarbeit

Nach Informationen von SZ, NDR und WDR soll der 48-jährige Niedersachse den Dauercamper Andreas V. mehrmals zu Ausflügen mit Kindern in Freizeitparks und Schwimmbäder begleitet haben. Teilweise sollen beide auch zusammen mit anderen Familien Ausflüge gemacht haben.

Über die neuen Ermittlungsergebnisse aus Niedersachsen "freue ich mich riesig", sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU), "höchstwahrscheinlich ist durch diese Festnahme ein weiteres Mal unfassbares Kindesleid beendet worden." Jetzt mache sich bezahlt, dass die EK "Eichwald" auch nach der Verurteilung der beiden Haupttäter im Fall Lügde weitergemacht "und auch noch die letzten Spuren abgearbeitet hat", so Reul.

V. hatte über 20 Jahre lang mehr als 20 Mädchen zwischen vier und 13 Jahren auf dem Campingplatz Eichwald im lippischen Lügde sexuell missbraucht. Von den Behörden war ihm auch eine Pflegetochter im Grundschulalter anvertraut worden, das Mädchen hatte jahrelang in einer vermüllten Parzelle auf dem Campingplatz an der niedersächsischen Grenze leben und wöchentlich sexuelle Gewalt ertragen müssen.

Die Haupttäter sind zwar rechtskräftig verurteilt, aber bei der Staatsanwaltschaft Detmold laufen noch immer mehrere Ermittlungsverfahren gegen Polizisten, Jugendamtsmitarbeiter und mögliche Lügde-Mitwisser. Wie viele Verfahren es derzeit genau sind, konnte die Behörde auf Anfrage nicht mitteilen.

Wegen des beispiellosen Behördenversagen wird der Fall Lügde zusätzlich in einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags aufgearbeitet.

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