Ludwigshafen:Mach kaputt, was dich kaputt macht

Werkzeugschrank

Heimwerken kann glücklich machen, aber nur, wenn das Werk am Ende auch wie gewünscht ausfällt.

(Foto: dpa)

Ein 25-jähriger Familienvater aus Ludwigshafen werkelt tagelang an seiner neuen Einbauküche. Dann entlädt sich sein Frust auf eine Art, die viele nachvollziehbar finden dürften.

Von Oliver Klasen

Besonders für Büromenschen hat das Heim- und Handwerken etwas Befriedigendes. Acht Stunden täglich verbringen wir in Meetings, Jour Fixes, Projektteam-Besprechungen, Feedback-Runden - und am Ende fragen wir uns oft, was denn das konkrete Ergebnis unserer Arbeit war. Da tut es gut, nach Feierabend zuhause etwas Bleibendes zu schaffen.

Ein neuer Anstrich für die Wand im Wohnzimmer, endlich ein Dimmer für das Esszimmerlicht oder edles Parkett als Ersatz für den alten Laminatboden. Okay, die wenigsten Schreibtischmenschen sind nebenberuflich Malermeister, Elektriker oder Bodenbelag-Experten. Aber wozu gibt es Erklärvideos auf Youtube? Das Belohnungsbier in der einen, den Zollstock noch in der anderen Hand, werden wir unser Werk bestaunen!

Wer schon einmal solcherart Gedanken hatte - und dann kläglich an der Umsetzung scheiterte -, dürfte den Familienvater verstehen, der jetzt in einer Pressemeldung der Ludwigshafener Polizei auftauchte. Eine neue Einbauküche sollte es sein, selbst aufgebaut bis zur allerletzten Schraube. Mehrere Tage werkelte der 25-Jährige, nach eigenen Angaben nicht mit "optimalen Kenntnissen" für einen Küchenaufbau ausgestattet. Am Montagabend hörten die Nachbarn dann plötzlich lautes Gepolter und Geschrei. Sie riefen die Polizei, die einen Fall von häuslicher Gewalt vermutete.

Was in der Wohnung vor sich ging, war tatsächlich ein Akt der Gewalt. Aber er richtete sich nicht gegen Menschen, sondern gegen das störrische Material. Weil er nicht weitergekommen sei, habe der Mann die Küche kurz und klein geschlagen, heißt es in der Polizeimeldung. "Hierbei zeigte der 25-Jährige deutlich mehr Talent, die Küche war ein Trümmerfeld, Möbel und Einbaugeräte waren nur noch Schrott."

Was für den einen die Einbauküche, ist für den anderen der Lattenrost, bei dem jede einzelne Latte in eine kleine Stoffhülse gefriemelt werden muss, ist für den dritten Schraube XP2368, von der man an Position 29 der Aufbauanleitung eines schwedischen Möbelhauses feststellt, dass man sie an Position 4 hätte verbauen müssen.

Vielleicht lässt sich das Werk des Ludwigshafeners ja als "schöpferische Zerstörung" begreifen. Mit diesem Begriff hat der bekannte österreichische Ökonom Josef A. Schumpeter Anfang des 20. Jahrhunderts die Fähigkeit des Kapitalismus beschrieben, sich immer wieder neu zu erfinden. Zerstörung ist demnach kein Fehler, sondern gewollt, um hernach etwas Besseres zu ermöglichen. Die zertrümmerte Küche hat gleich zweierlei Vorteil: Ein Handwerksmeister in Ludwigshafen hat jetzt wahrscheinlich einen Auftrag mehr und der Familienvater ist um eine Erkenntnis reicher.

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