Auf ihn entlud sich die ganze Wut der Bevölkerung über die Loveparade-Katastrophe: Duisburgs früherer Oberbürgermeister Adolf Sauerland. Er wurde mit Ketchup bespritzt, erhielt Morddrohungen und wurde - weil er nicht freiwillig gehen wollte - zwei Jahre später von den Duisburgern aus dem Amt gewählt. Am 24. Juli 2010 war es bei der Loveparade in Duisburg zu einer Massenpanik gekommen, 21 Menschen starben, mehrere hundert wurden verletzt. CDU-Politiker Sauerland wollte die politische Verantwortung für die Katastrophe damals nicht übernehmen, öffentlich sprach er kaum darüber. Jetzt tritt er als einer der ersten prominenten Zeugen im Loveparade-Prozess auf - und bleibt bei seiner Haltung.
Nach seiner Aussage war er nicht an möglichen Fehlern bei der Genehmigung der Loveparade 2010 beteiligt. "Aktiv in dem Genehmigungsprozess war ich nicht", sagt der 62-Jährige vor dem Landgericht Duisburg. Er habe die Idee, sich um die Loveparade zu bewerben, in den Stadtrat eingebracht, sagt Sauerland. Der Rat habe der Idee mit großer Mehrheit zugestimmt. Er habe das Projekt dann in Gang gebracht, sei damit aber außen vor gewesen. "Das war dann Sache der Fachlichkeit."
Sein Pressesprecher habe schon mal an Sitzungen teilgenommen, so Sauerland. Ansonsten habe ihn Dezernent Wolfgang Rabe über den Gang der Dinge informiert. "Es gab in der Planungsphase hier und da Friktionen", berichtete Sauerland. Diese seien von den Dezernenten geklärt worden. Über die Genehmigung der Loveparade eine Woche vor dem Großereignis sei er per SMS in seinem Urlaub in den Bergen informiert worden. Daraus habe er geschlossen, dass alle Bedenken hätten ausgeräumt werden können.
Aktiv geworden sei er nur in einem Punkt: Der damalige Duisburger Polizeipräsident habe im Vorfeld die Loveparade in Duisburg für undurchführbar gehalten. Sauerland habe daraufhin, so sagt er vor Gericht aus, die Verwaltung gebeten, dies zu prüfen. Ob das wirklich geschehen ist, konnte er aber nicht sagen.
Seit Dezember müssen sich sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg und vier Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen unter anderem fahrlässige Tötung vor. Sauerland gehört nicht zu den Angeklagten. Aus Platzgründen findet der Prozess in einer Kongresshalle in Düsseldorf statt.
Er persönlich sei kein großer Freund der Loveparade gewesen, sagte Sauerland im Prozess. "Die Loveparade ist uns angedient worden vom KVR", sagte er. Auch habe er gewusst, dass der Ordnungsamtsleiter ein Kritiker der Veranstaltung gewesen sei. Warum, wisse er aber nicht.
Der Vorsitzende Richter Mario Plein äußerte Unverständnis über so wenig Detailkenntnis des früheren Oberbürgermeisters. "Wir reden hier ja nicht über den Flohmarkt in Duisburg-Marxloh. Wir reden über die Loveparade. Das ist schwer nachvollziehbar."
Erstmals öffentlich sein Schweigen gebrochen hatte Sauerland, als er 2011 dem Zeit-Magazin und dem WDR-Fernsehen ein Interview gab. Darin räumte er Fehler ein. Nach der Katastrophe 2010 habe er sich bemüht, keine juristischen Fehler zu machen und dabei "das Mitgefühl für die Angehörigen" vergessen, sagte er. "Wahrscheinlich hätte ich viel früher auf die Opfer zugehen müssen."
Auch juristisch fühlte sich Sauerland nicht verantwortlich - und berief sich auf ein von der Stadt in Auftrag gegebenes Gutachten, das zu diesem Schluss gekommen war. "Man suchte jemanden, den man zur Verantwortung ziehen konnte, dem man die Schuld zuweisen konnte, hinter dem man sich verstecken konnte, und das war ich", sagte Sauerland in dem Interview. "Zurückzutreten, das wäre für mich eine Flucht gewesen. Sollte wirklich etwas juristisch falsch gelaufen sein, zum Beispiel bei der Genehmigung, dann kann man politische Verantwortung verlangen. Aber ich hatte mir nichts vorzuwerfen."
Die Duisburger beurteilten die Verantwortung des früheren Oberbürgermeisters an der Loveparade-Katastrophe anders und stimmten in einem Bürgerbegehren im Februar 2012 mit großer Mehrheit für dessen Abwahl. Sauerland zog sich daraufhin aus der Öffentlichkeit weitgehend zurück.
Seine Aussage in dem Prozess war ursprünglich schon für den 27. April geplant. Weil an diesem Tag jedoch eine Hauptschöffin wegen eines Todesfalls verhindert war, wurde die Zeugenaussage des früheren Oberbürgermeisters verlegt.
Mit Material der Nachrichtenagenturen.