Süddeutsche Zeitung

Massenpanik auf der Loveparade in Duisburg:Tödliches Gedrängel auf dem Weg zur großen Party

Sie drückten und schubsten, um schnell auf das Gelände zu kommen: 19 Menschen sind bei einer Massenpanik auf der Loveparade ums Leben gekommen. "So stelle ich mir Krieg vor", berichtete ein Augenzeuge.

Was als große Open-Air-Party geplant war, endete in einer Tragödie: Bei der ersten Loveparade in Duisburg sind bei einer Massenpanik mindestens 19 Menschen ums Leben gekommen, mehr als 340 wurden zum Teil lebensgefährlich verletzt. 16 Besucher der Freiluft-Party starben nach Polizeiangaben am Unglücksort, drei weitere erlagen im Krankenhaus ihren Verletzungen. Die Identifizierung der Todesopfer werde voraussichtlich bis Mittag andauern, sagte ein Polizeisprecher. Die Zahl der Toten hat sich seit Bekanntwerden der Katastrophe immer weiter erhöht.

Das Unglück ereignete sich gegen 17 Uhr, als die Abschlusskundgebung des Techno-Spektakels auf dem ehemaligen Duisburger Güterbahnhof stattfinden sollte: Hunderte Partygänger drängten auf das völlig überfüllte Festgelände. In einem Tunnel, der als Nadelöhr zur großen Party fungierte, kam es dann zu der Panik. Ausgelöst wurde das tödliche Gedrängel nach Polizeiangaben von mehreren Jugendlichen, die eine gesperrte schmale Nottreppe und ein Lautsprechergerüst hochgeklettert und dann in die Tiefe gestürzt waren. Menschen wurden in der drückenden und schubsenden Masse totgetreten oder zerdrückt.

"Programmiertes Chaos"

Die Panik war Zeugen zufolge schon vor ihrem Höhepunkt am Nachmittag absehbar. Ein Besucher sagte, er habe die Polizei noch kurz vor dem Ausbruch der Panik gewarnt: "Meine Freundin und ich haben schon kaum mehr Luft bekommen und die Ellbogen ausgefahren, um noch wegzukommen. Anschließend haben wir die Polizei alarmiert und gesagt, dass es im Tunnel gleich zur Massenpanik kommen wird." Passiert sei aber erst einmal nichts.

"Der Tunnel ließ keine Fluchträume zu", berichtete ein anderer Augenzeuge. Überall auf dem Boden hätten Menschen herumgelegen. "So stelle ich mir Krieg vor", sagte der geschockte Loveparade-Besucher dem Nachrichtensender n-tv. Die Veranstalter seien vermutlich nicht richtig auf die Menschenmassen vorbereitet gewesen. "Das war programmiertes Chaos."

Trotz des Unglücks habe man die Veranstaltung aus Sicherheitsgründen zunächst weiterlaufen lassen, sagte der Sprecher der Stadt Duisburg, Frank Kopatschek. Während kurz nach der Massenpanik im südlichen Teil des weitläufigen Areals das blanke Chaos herrschte, feierten die Menschen im Süden des Geländes noch ausgelassen.

Nach und nach verbreitete sich dann die schreckliche Nachricht. Die Notausgänge des Geländes wurden geöffnet und Busse aktiviert, die die Teilnehmer der Parade ursprünglich erst in der Nacht nach Hause bringen sollten.

Auch den angrenzenden Hauptbahnhof sperrte die Polizei. Bahnsprecher Udo Kampschulte sagte, durch die Panik seien viele Leute auf die Gleise in der Nähe des Loveparade-Geländes ausgewichen. "Sämtliche Gleise sind gesperrt", erklärte Kampschulte. Zugverkehr in Richtung Süden gebe es seit kurz nach 18 Uhr nicht mehr. Mittlerweile würden sich die Menschen vor dem Hauptbahnhof stauen. "Wir wollen versuchen, die Leute in Richtung Norden rauszubekommen." Neben der Bahnsicherheit sei auch die Bundespolizei im Einsatz.

Auch die A 59 wurde nach einem Bericht des Westdeutschen Rundfunks gesperrt - offensichtlich um die Rettungskräfte über die Autobahn zu leiten. Auf Bildern, die der Sender von dem Partygelände übertrug, war zu sehen, wie ein Hubschrauber zu landen versuchte. Neun Rettungshubschrauber seien im Einsatz, hieß es. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) forderte eine genaue Untersuchung der Vorfälle. Nach der Räumung wurde der Tunnel für die Spurensicherung und die Untersuchungen der Kriminalpolizei abgeriegelt.

Merkel: "Ich bin entsetzt und traurig"

Nach Schätzungen nahmen 1,4 Millionen Menschen an der diesjährigen Loveparade unter dem Motto "The Art Of Love" in Duisburg teil. Die Raver-Parade war 1989 in Berlin gegründet worden und ist 2007 ins Ruhrgebiet gezogen. In Duisburg fand sie erstmals auf einem abgeschlossenem alten Bahngelände statt. Im Sommer 2011 soll die Loveparade in Gelsenkirchen Station machen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mit Entsetzen auf die Tragödie in Duisburg reagiert: "In diesen schweren Stunden bin ich in Gedanken bei den Angehörigen der Opfer", erklärte Merkel in Berlin. "Zum Feiern waren die jungen Menschen gekommen, stattdessen gibt es Tote und Verletzte. Ich bin entsetzt und traurig angesichts des Leids und des Schmerzes", sagte Merkel nach Angaben ihres Sprechers Ulrich Wilhelm.

Die Polizei hat eine Telefonnummer geschaltet, unter der sich Angehörige informieren können: 02 03/9 40 00.

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