Loveparade-Gründer Dr. Motte:"Das konnte nicht gutgehen"

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Dr. Motte, Gründer des weltbekannten Raves, erhebt schwere Vorwürfe gegen seinen Nachfolger. Der Veranstalter habe aus der Loveparade ein Werbeevent machen wollen. Die Stadt Duisburg sei überfordert gewesen.

Thorsten Schmitz

Eine seltsame Gruppe zog im Sommer 1989 über den Ku'damm von Berlin, manche Passanten blieben wie angewurzelt stehen: Etwa 150 Frauen und Männer tanzten West-Berlins Boulevard entlang, halbnackt oder in neonfarbenen T-Shirts, die Haare blau oder rot gefärbt, oder ganz schlicht in Jeans gekleidet. Allen gemeinsam war eine ausgelassene Fröhlichkeit und die Abwesenheit politischer Forderungen. Begleitet wurden die Raver damals von Polizisten und drei Autos, aus denen die Lieblingstechnostücke von vier DJs wummerten.

Tote bei Loveparade

Der Gründer der Loveparade, Matthias Roeingh alias Dr. Motte, hatte seinen Freunden abgeraten, zu dem Rave nach Duisburg zu fahren: "Ich hatte schon befürchtet, dass da etwas passieren könnte."

(Foto: dpa)

Es war die Geburtsstunde der Loveparade - und der Aufstieg des aus Spandau stammenden Matthias Roeingh zu Dr. Motte und damit zu einem der bekanntesten Techno-DJs der Welt. Keine einzige Zeitung brachte damals eine Notiz über die bunte Demo.

Wenn man den 50-jährigen Dr. Motte am Tag nach der Katastrophe von Duisburg spricht, sagt er: "Das konnte nicht gutgehen. Ich hatte schon befürchtet, dass da etwas passieren könnte."

Freunde von ihm hätten nach Duisburg fahren wollen, auch weil DJ WestBam dort seinen letzten Loveparade-Auftritt absolvieren wollte. "Aber ich habe denen abgeraten, weil ich ja wusste, dass die Loveparade auf einem abgeschlossenen Gelände stattfinden sollte." Roeingh sagt, dass die Duisburger Loveparade auf einem umzäunten Gelände ausgerichtet wurde, "zeigt die Unerfahrenheit der Stadt mit einem Massenevent". Man könne doch nicht nur einen Ein- und Ausgang für so viele Menschen zur Verfügung stellen.

Ohnehin habe das Massenspektakel mit der von ihm ins Leben gerufenen Loveparade in den neunziger Jahren nichts mehr gemeinsam. "Die Loveparade von heute war nur noch eine Karikatur." Was aus seiner Loveparade geworden ist und ihr entsetzliches Ende finde er "nur noch traurig".

Roeingh alias Dr. Motte sagt, der Verkauf der Marke Loveparade an den Unternehmer Rainer Schaller, der die Fitnesskette "McFit" besitzt, sei auch ein Ausverkauf gewesen. "Schaller hat sich nicht für die Idee der Loveparade interessiert, sondern nur dafür, die Loveparade bei der Steuer als Werbemaßnahme zu verbuchen, um mehr Gewinn einzufahren." Mit Techno, sagt Roeingh, "hatte das gar nichts mehr zu tun".

Der Loveparade war immer vorgeworfen worden, sie sei ein unpolitisches Ereignis. Schnell schnellten damals die Teilnehmerzahlen in Berlin hinauf. Der fröhliche Umzug 1989 unter dem Motto "Friede, Freude, Eierkuchen" geriet innerhalb weniger Jahre zu einer gigantischen Open-Air-Party mit mehr als einer Million Ravern. Die Stadt Berlin verlor dann 2004 die Geduld mit den Veranstaltern, weil mit den Teilnehmerzahlen auch die Müllberge wuchsen und Berlin den Ravern nicht umsonst hinterherkehren wollte.

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